Hermann Diedrich Adolf Heyne – Rufname Adolf – wird am 4. Oktober 1906 als zweites Kind von Hermann Heyne und Katharine Heyne auf dem elterlichen Hof in Reiherholz (heute: Martin Werner) geboren. Er ist der ältere Bruder von Auguste Oetjen.
Einen Tag vor Adolfs Geburt beginnt in Berlin die erste Weltfunk-Konferenz. Vier Wochen lang debattieren Teilnehmer aus knapp 30 Staaten unter anderem darüber, welches Notruf-Signal künftig zum internationalen Standard erhoben werden soll. In dieser Frage trennt ein tiefer Graben die führenden Schifffahrts-Nationen. Insbesondere Großbritannien und Italien machen sich für das vom italienischen Funk-Pionier Guglielmo Marconi vorgeschlagene Morse-Signal CQD stark, das in diversen englischsprachigen Staaten bereits etabliert ist. Demgegenüber plädiert das Deutsche Reich für das Signal SOS. Es wurde 1904 bei der Kaiserlichen Marine eingeführt und gilt seit April 1905 auch für die deutsche Handelsschifffahrt. Nachgeben will keine der beiden Seiten. Zum einen stehen dahinter handfeste wirtschaftliche Interessen, zum anderen geht es im Schatten des Deutsch-Britischen-Flotten-Wettrüstens auch darum, einen Prestige-Erfolg zu erringen.
Am Ende setzt sich die deutsche Seite durch – vor allem deshalb, weil ein gemorstes SOS (dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz) deutlich prägnanter ist als ein CQD (lang kurz lang kurz, lang lang kurz lang, lang kurz kurz). Die Zeichenfolge SOS existiert zudem in kaum einem gebräuchlichen Wort und ist auch bei schlechten Funkbedingungen unmissverständlich als Notsignal zu erkennen. Deshalb wird sie zum Stichtag 1. Juli 1908 verbindlich für alle internationalen Gewässer eingeführt. Erstmals erfolgreich zum Einsatz kommt sie, als das britische Passagierschiff „RMS Slavonia“ am 10. Juni 1909 vor den Azoren auf Grund läuft. Mit der „Batavia“ und der „Prinzess Irene“ eilen zwei deutsche Schiffe zur Rettung herbei, denen das zunächst gemorste CQD möglicherweise entgangen wäre.
Von der ersten erfolgreichen Rettungsaktion nach einem SOS-Notruf nehmen im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Adolfs Geburtsort gehört, vermutlich nur wenige Menschen Notiz. Das sieht bei einem weiteren Schiffsunglück, in dessen Folge die per SOS alarmierten Retter allerdings zu spät kommen, sehr wahrscheinlich anders aus: Der Untergang des Luxusdampfers „Titanic“ vor Neufundland in den frühen Morgenstunden des 15. April 1912 produziert weltweit Schlagzeilen. Beinahe wäre in jener Nacht übrigens auch Funk-Pionier Marconi in den Wellen des Atlantiks versunken. Da die „Titanic“ mit einem von ihm entwickelten Sender ausgestattet war, hatte die Reederei ihn zur Teilnahme an der Jungfernfahrt eingeladen. Aus terminlichen Gründen ist Marconi jedoch schon drei Tage früher an Bord der „RMS Lusitania“ nach New York gereist.
Im April 1912 besucht Adolfs Schwester Auguste bereits seit drei Jahren die Volksschule in Hude. Er selbst erlebt seinen ersten Schultag im Frühjahr 1913, knapp anderthalb Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Letzteres eine Zäsur, die für Adolf sehr wahrscheinlich weniger Veränderungen mit sich bringt als für andere Mitschüler: Vater Hermann ist im August 1914 bereits 41 Jahre alt, ihm dürfte ein Armee-Einsatz deshalb erspart bleiben. Dass Adolf trotzdem von Kindesbeinen an in die Bewirtschaftung des elterlichen Hofes eingebunden ist, versteht sich zur damaligen Zeit allerdings von selbst – zumal er als einziger Sohn frühzeitig als Erbe feststeht.
Nach Schulabschluss und Konfirmation arbeitet Adolf weiter auf dem nahe der Bahnstrecke Bremen-Oldenburg gelegenen Heyne-Hof. Es sind schwierige Zeiten, geprägt von brutalen Richtungskämpfen in der nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ausgerufenen Weimarer Republik und einer noch wenige Jahre zuvor unvorstellbaren Geldentwertung. Wohl dem, der sich als Jugendlicher in all diesem Chaos ein klein wenig Freude und Ablenkung verschaffen kann. Adolf findet beides im Linteler Männergesangverein Harmonie, dem er 1923 auf dem Höhepunkt der Hyperinflation beitritt. Dort bekommt er bald Gesellschaft von in etwa gleichaltrigen Lintelern wie Karl Logemann, Hermann Neuhaus, Jonny Büscher, Heinrich Runge und Heinrich Dählmann.
Wann Adolf in den zu jener Zeit ebenfalls sehr aktiven Schützenverein Lintel eintritt, ist nicht exakt überliefert. An beiden Vereinen schätzt er die damit verbundene Geselligkeit – so gehört das stets am Himmelfahrtstag gefeierte Linteler Schützenfest zu den Höhepunkten des Dorflebens, und auch die benachbarten Schützenvereine feiern regelmäßig vergleichbare Feste. Gut möglich, dass Adolf bei einer dieser Gelegenheiten seine künftige Ehefrau Erna Barkemeyer aus Hurrel kennenlernt.
Adolf und Erna heiraten am 31. August 1933. Insofern ein historisches Datum, als dass in jenen Tagen die NSDAP in Nürnberg mit mehr als 300.000 Teilnehmern ihren ersten Reichsparteitag seit der Machtübernahme im Januar 1933 feiert. Zahlreiche Veranstaltungen werden per Volksempfänger übertragen, von denen es auch in Linteler Haushalten schon den einen oder anderen gibt. Für Gesprächsstoff dürfte dabei unter anderem das von Reichsernährungsminister Walther Darré angekündigte und Ende September 1933 erlassene Reichserbhofgesetz sorgen: Es erklärt den Grund und Boden eines Erbhofes zu einem unveräußerlichen Gut, das auch nicht durch Kredite belastet werden darf. Das erschwert nicht nur die Finanzierung der Höfe, sondern schränkt die Bauern in ihrer Verfügungsgewalt mitunter erheblich ein.
Mit einer Größe von damals rund 11 Hektar fällt auch der Heyne-Hof unter das Erbhofgesetz – freilich ohne gravierende Auswirkungen. Adolf bewirtschaftet ihn weiter wie zuvor mit Hilfe seiner Eltern, wobei fortan natürlich auch Erna ihren Beitrag leistet. Im April 1936 bringt sie zudem Tochter Ilse zur Welt, Adolf wird zum ersten und einzigen Mal Vater.
Das Privileg, seine Tochter tagtäglich um sich herum aufwachsen zu sehen, ist Adolf zunächst nur wenige Jahre vergönnt. Denn der Terror, mit dem die Nationalsozialisten in den ersten Jahren ihrer Herrschaft im Innern unbarmherzig Randgruppen und politische Gegner überzogen haben, richtet sich spätestens ab 1938 zunehmend gegen das Ausland und löst am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg aus. Adolf wird zur Wehrmacht einberufen und nimmt ab Juni 1941 am Russland-Feldzug teil. Seine einzelnen Stationen liegen dabei heute ebenso im Dunkeln wie Ort und Zeit seiner Gefangennahme durch die Rote Armee. Dasselbe gilt für Erlebnisse während der Gefangenschaft sowie das exakte Datum der Freilassung. Als Adolf endlich nach Reiherholz zurückkehrt, warten dort zwar Erna und Ilse auf ihn, nicht jedoch seine Eltern: Vater Hermann ist im März 1944 verstorben, Mutter Katharine im Januar 1946.
Nach Währungsreform und Gründung der Bundesrepublik Deutschland geht es auf dem Heyne-Hof rasch wieder voran, Adolf kann noch einige Hektar Moorland hinzukaufen. Die Linteler Vereine stellen sich neu auf, und insbesondere im MGV Harmonie ist Adolf abermals in vorderster Reihe als Sänger dabei. Im Mai 1957 bekommt er dann mit Heinz Niedernüfemann einen Schwiegersohn ins Haus. Nur vier Monate später folgt mit dessen und Ilses Tochter Ute auch das erste Enkelkind.
Als Mitarbeiter im Außendienst des Armaturen- und Pumpen-Herstellers Bopp & Reuther kann Schwiegersohn Heinz die Landwirtschaft nur im Nebenerwerb betreiben – was angesichts des sich rapide beschleunigenden Strukturwandels der Branche unschwer als Auslaufmodell zu erkennen ist. Eine Tatsache, die Adolf akzeptiert: Er investiert in den Jahren vor seinem Ruhestand nur noch das Nötigste und fährt die Zahl der gehaltenen Kühe und Schweine bis Anfang der 70er Jahre Stück für Stück herunter. In diese Zeit fällt auch der Kauf des ersten eigenen Autos: ein umgebauter und in der Geschwindigkeit gedrosselter Fiat 500, den Adolf deshalb auch ohne den eigentlich obligatorischen Führerschein der Klasse 3 steuern darf.
Mit Dörte (August 1967) und Martina (April 1973) kommen noch zwei Enkelkinder zur Familie hinzu. Die allerdings kurz darauf auseinanderbricht: Tochter Ilse gesteht Ehemann Heinz die Liebe zu ihrem Nachbarn Martin Werner, der sich daraufhin als Vater von Dörte und Martina zu erkennen gibt. Im ersten Moment natürlich auch für Adolf ein Schock – nach den Erfahrungen von Krieg und Gefangenschaft aber sicher nicht der schlimmste seines Lebens. So arrangiert er sich recht schnell mit der neuen Situation und nimmt den neuen Schwiegersohn in seinem Haus auf.
Als Rentner sind Adolf und Erna viel unterwegs, statt im Fiat 500 mittlerweile in einem alten Goggomobil. Im August 1983 feiern sie mit Nachbarn, Verwandten und Freunden in der Gastwirtschaft „Ton drögen Schinken“ Goldene Hochzeit. Auch nach Ernas Tod sechs Jahre später bleibt Adolf mobil und für sein Alter erstaunlich rüstig. Bis weit über das 90. Lebensjahr hinaus nimmt er als inzwischen dienstältestes Mitglied regelmäßig an Singabenden und Auftritten des MGV Harmonie Lintel teil. Am Ende verpasst er das 80-jährige Jubiläum seines Beitritts nur um wenige Monate.
Adolf stirbt am 28. Januar 2003 an Altersschwäche. Beerdigt ist er sieben Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.