Hinrich Wilkens wird am 30. Juni 1880 als viertes Kind von Tönjes Hinrich Wilkens und Gesine Wilkens auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Udo und Svetlana Wilkens) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Tönjes, Gesine Schweers und Bernhard Wilkens und der ältere Bruder von Friedrich Wilkens. Darüber hinaus hat er mit Heinrich Wilkens, Johann Heinrich Wilkens und Catharine Grummer drei ältere Halbgeschwister aus früheren Ehen seines Vaters mit Metta Margareta Wilkens und Gesche Margarete Wilkens.
Zwei Wochen vor Hinrichs Geburt öffnet in Berlin in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm I. und Reichskanzler Otto von Bismarck der Anhalter Bahnhof. Die nach sechs Jahren Bauzeit fertiggestellte Empfangshalle ist mit 34 Metern Höhe und 60 Metern Breite die größte der Welt, unter ihrer Kuppel finden 40.000 Menschen Platz. Es gibt sechs Bahnsteig- und zwei Zwischengleise, wobei letztere für Sonder- und Vorortzüge bestimmt sind. Das neue „Tor zum Süden“ verbindet Berlin unter anderem mit Wien, Budapest, Mailand, Venedig, Rom, Marseille und Nizza. Der vor dem Bahnhof gelegene Askanische Platz erfährt durch den Neubau einen Aufwertungs-Schub, später entstehen dort Luxushotels wie das „Excelsior“ oder der „Habsburger Hof“.
Nur einen Tag später beginnt in der deutschen Hauptstadt die Berliner Konferenz. Dort beraten Vertreter der europäischen Großmächte über den künftigen Verlauf der Grenze zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich. Das Treffen ist eine Reaktion auf den gescheiterten Versuch der beiden Länder, nach der 1878 auf dem Berliner Kongress erfolgten Entschärfung der Balkankrise eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Griechenland beansprucht Gebiete mit überwiegend griechischer Bevölkerung wie Thessalien, Epirus und Kreta für sich und besitzt dafür durchaus die Rückendeckung der in Berlin versammelten Großmächte, insbesondere Frankreichs.
Entsprechend fällt das Ergebnis der am 1. Juli 1880 beendeten Konferenz aus. Es wie beschlossen umzusetzen lehnt der osmanische Sultan Abdülhamid II. allerdings strikt ab. Da keine der beteiligten Großmächte Interesse an einem militärischen Konflikt in der Region hat, gehen die Verhandlungen in eine neue Runde. In der im Mai 1881 getroffenen Konvention von Konstantinopel erreicht Abdülhamid diverse Nachbesserungen und kann so die Abtretung Kretas und großer Teile von Epirus vermeiden.
Im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Hurrel gehört, dürften die Sympathien im beschriebenen Grenzstreit ebenfalls auf Seiten der Griechen liegen. Schließlich saß in Athen mit Amalie von Oldenburg zwischen 1836 und 1862 eine Halbschwester des Großherzogs Peter II. auf dem griechischen Königsthron. Letztlich jedoch sind Athen und Konstantinopel von dem dörflichen Umfeld, in dem Hinrich aufwächst, ähnlich weit entfernt wie die aufstrebende Reichshauptstadt Berlin.
Nach dem Abschluss der im Nachbardorf Lintel gelegenen Volksschule, wo unter anderem Meta Barkemeyer, Johanne Heinemann, Mathilde Lüning, Heinrich Rüdebusch, Annchen von Seggern und später Meta Rüscher zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern gehören, arbeitet Hinrich noch eine Weile weiter auf dem elterlichen Hof. Ob er in dieser Zeit jemals darüber nachdenkt, wie sein älterer Halbbruder Johann Heinrich und seine Schwester Anna in die USA auszuwandern, lässt sich nur vermuten. Letztlich verläuft sein Lebensweg jedoch anders. Kurz nach der Jahrhundertwende geht Hinrich auf dem Hof des Linteler Großbauern Georg Haverkamp (heute: Ralf und Jannik Haverkamp) in Stellung, wo er knapp zehn Jahre lang alle anfallenden Arbeiten verrichtet.
Nur 600 Meter entfernt wächst in der Nachbarschaft ein Mädchen auf, das Hinrich in den ersten Jahren seiner Tätigkeit wahrscheinlich kaum beachtet. Martha Drieling, wie sein jüngster Bruder Friedrich 1889 geboren, ist neun Jahre jünger als er selbst und hat es in ihrer Jugend nicht leicht: Ihr Vater stirbt, als sie zwei Jahre alt ist. Mit 16 wird sie Vollwaise, fortan lebt sie mit Stiefvater Hermann Ahrens und dessen ebenfalls 1889 geborenem Sohn Heinrich auf einem im Drei-Kaiser-Jahr 1888 von ihren Eltern gekauften, rund sieben Hektar großen Hof an der Linteler Straße (heute: Gerhard Sedlaczek und Frank Peters).
Wann genau Hinrich und Martha ein Paar werden, ist nicht überliefert. Sie heiraten am 12. Mai 1911, und Hinrich zieht auf den früheren Drieling-Hof. Für Hinrichs Bruder Friedrich dürfte diese Hochzeit die letzte größere Familienfeier auf deutschem Boden gewesen sein – er wandert knapp vier Monate später nach Nebraska aus, da der elterliche Hof in Hurrel in der Zwischenzeit vom ältesten Sohn Bernhard übernommen wurde.
Kurz nach der Geburt von Sohn Benno am 17. Januar 1914 bricht der Erste Weltkrieg aus, zu dem Hinrich anders als viele Nachbarn und Verwandte nicht einberufen wird. Ob dies mit der besonderen Situation auf dem eigenen Betrieb zu tun hat oder ob er bereits damals gesundheitlich angeschlagen ist, lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen – ebenso wenig, ob bei Kriegsausbruch außer Marthas Stiefvater auch noch ihr 1923 nach Brasilien auswandernder Stiefbruder mit zum Haushalt gehört.
Verbürgt ist allerdings, dass in den Jahren darauf Anna Koopmann aus Altmoorhausen auf dem Wilkens-Hof lebt und dort gegen Kost und Logis bei der Feldarbeit und der Betreuung von Benno und seiner im Dezember 1917 geborenen Schwester Gerda hilft. Von Annas Schulfreundin Martha Wachtendorf ist überliefert, dass die beiden in ihrer Konfirmandenzeit – also zwischen Herbst 1918 und Frühjahr 1920 – auf dem Weg zum Unterricht in der Huder Pastorei regelmäßig auf dem Wilkens-Hof in Lintel einkehren und bei dieser Gelegenheit mit einer warmen Mahlzeit versorgt werden.
Auch die nach dem Ende 1918 verlorenen Krieg von politischen und wirtschaftlichen Krisen geprägte Nachkriegszeit bleibt für Hinrich und Martha von harter Arbeit geprägt. Zwar gelingt es ihnen, den Hof durch Zukäufe um einige Hektar zu vergrößern. Schon bald darauf erkrankt Hinrich jedoch unheilbar an Magenkrebs, der ihn schließlich am 12. Juni 1927 – zweieinhalb Wochen vor seinem 47. Geburtstag – das Leben kostet. Beerdigt ist Hinrich wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.