Hermann Diedrich Wachtendorf wird am 20. September 1900 als viertes Kind von Johann Friedrich Wachtendorf und Metta Wachtendorf auf dem elterlichen Hof in Lintel (Eigentümer des später errichteten Neubaus: Hans-Gerd Wefer) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Hinrich Wachtendorf, Anna Borgmann und Clara Osterthun und der ältere Bruder von Gerhard Wachtendorf, Johann Wachtendorf und Gesine Mindermann.
Vier Tage nach Hermanns Geburt veröffentlicht die amerikanische Film-Gesellschaft Edison Studios den Kurzfilm „Searching Ruins on Broadway, Galveston, for Dead Bodies“. Dabei handelt es sich um einen der ersten Filme, die eine vorangegangene Katastrophe dokumentieren. Er ist 52 Sekunden lang und zeigt, wie Helfer in den Trümmern der texanischen Hafenstadt Galveston nach Leichen suchen. Dort hat am 8. September 1900 ein Geschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometer erreichender Hurrikan gewütet und Schätzungen zufolge bis zu 12.000 Menschenleben gefordert – bei damals knapp 40.000 Einwohnern. Damit ist der Galveston-Hurrikan bis heute eine der größten Naturkatastrophen, die die USA je heimgesucht haben.
Der Sturm trifft die aufstrebende Hafenstadt relativ unvorbereitet. Zwar warnt das Nationale Wetteramt frühzeitig vor seinem Aufkommen, sieht allerdings eher Florida im Zentrum möglicher Verwüstungen. Deshalb platziert die örtliche Tageszeitung „Galveston Daily News“ den entsprechenden Hinweis in ihrer Ausgabe vom 8. September erst relativ kleingedruckt auf Seite 10. Dann geht plötzlich alles sehr schnell: Während Geschäftsleute im Stadtzentrum noch gemütlich zu Mittag essen, kämpfen der Überlieferung zufolge ihre Frauen und Kinder nur zwei oder drei Kilometer entfernt bereits ums Überleben. Welche dramatischen Szenen sich in den nächsten Stunden abspielen, schildert fast 100 Jahre später der 1999 veröffentlichte Roman „Isaacs Sturm“ des US-Bestseller-Autors Erik Larson.
Die Aufräumarbeiten, die der eingangs genannte Film dokumentiert, ziehen sich über Wochen hin. Tausende Leichen werden auf ein Dampfschiff verladen und auf hoher See über Bord geworfen. Als die Strömung sie zurück an den Strand spült, werden sie verbrannt, tagelang lodern überall Feuer. Eine eilig gebildete Bürgermiliz erschießt zahlreiche Plünderer – manche von ihnen haben die Taschen voller abgeschnittener Ringfinger. So kehrt nur langsam wieder Normalität ein. Am Ende ist nichts mehr, wie es einmal war: Galveston, vor dem Sturm eine der schönsten Städte der USA, versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Schon wenige Jahre später hat das nahegelegene Houston dem einstigen „New York des Südens“ den Rang abgelaufen.
Berichte über die Katastrophe von Galveston machen im September 1900 auch im Deutschen Reich die Runde. Dort ist – zumindest in den südlichen Landesteilen – das Münchner Hochwasser von 1899 noch relativ frisch in Erinnerung. Im Großherzogtum Oldenburg hingegen, zu dem Lintel gehört, hat es seit der Großen Halligflut von 1825 kein derart einschneidendes Naturereignis mehr gegeben. Was hingegen gang und gäbe ist, sind durch Feuer ausgelöste Zerstörungen. Im April 1905 trifft es Hermanns Familie, als ihr Hof nur wenige Tage nach der Geburt der jüngsten Schwester Gesine bis auf die Grundmauern niederbrennt. Hermanns Eltern geben danach den 1825 von seinem Urgroßvater Hinrich Wachtendorf begründeten Siedlungsplatz auf und errichten einige hundert Meter entfernt auf der gegenüberliegenden, von Lintel aus gesehen rechten Seite der heutigen Straße Am Holze ein neues Wirtschaftsgebäude.
Wahrscheinlich ab Frühjahr 1907 besucht Hermann die von seinem neuen Zuhause rund zwei Kilometer entfernt liegende Linteler Volksschule. Neben dem 1902 geborenen Bruder Gerhard gehören unter anderem Adolf Ahlers, August Ahlers, Ludwig Geerken, Dietrich Haverkamp, Diedrich Logemann, Johann Quitsch und Hinrich Rodiek zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern. Noch vor Schulabschluss und Konfirmation bricht Anfang August 1914 der Erste Weltkrieg aus, in dessen Kämpfe Hermann aber anders als Vater Johann Friedrich und der 1895 geborene Bruder Hinrich nicht mehr hineingezogen wird.
Da als Hoferbe der jüngste Bruder Johann bereitsteht, orientiert Hermann sich Richtung Handwerk und erlernt den Beruf des Drechslers. Wo er diesem Beruf zunächst nachgeht, ist heute nicht mehr bekannt. Derweil wird Mutter Metta nach einem Schlaganfall zum Pflegefall. Um sie besser versorgen zu können, zieht Vater Johann Friedrich 1927 mit ihr und der jüngsten Tochter Gesine auf einen neu gekauften Hof im benachbarten Hurrel (heute: Egon Wachtendorf und Elke Brumund).
Als Bruder Johann und Ehefrau Anna 1932 Nachwuchs erwarten, richtet sich Hermann an der Linteler Straße eine Drechsler-Werkstatt (heute: Daniela und Dennis Behrens) mit Wohnbereich ein, die er kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten mit Lebensgefährtin Helene Wachtendorf bezieht. Dort erlebt er in den folgenden Jahren den Übergang von der Weimarer Republik zur Diktatur des NS-Staats, nicht jedoch die menschengemachte Katastrophe des Zweiten Weltkriegs: Hermann stirbt am 3. April 1937 und wird wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.