Johann Diedrich Witte wird am 22. Dezember 1868 als zweites Kind von Hermann Witte und Gesine Margarete Witte in Lintel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Annchen Rebecca Witte und der ältere Bruder von Gesine Catharine Witte und Karl Heinrich Witte.
Zwei Wochen vor Johanns Geburt geht in London die erste Verkehrsampel der Welt in Betrieb. Sie steht in unmittelbarer Nähe des Parlaments und soll an einer der belebtesten Kreuzungen der britischen Hauptstadt dazu beitragen, dass dessen Abgeordnete künftig einigermaßen sicher ihren Tagungsort erreichen. Das ist 1868 alles andere als selbstverständlich: London hat in puncto Bevölkerungsentwicklung einen riesigen Satz gemacht und zählt mittlerweile mehr als drei Millionen Einwohner. Pferde-Fuhrwerke, Kutschen und Fußgänger wuseln in den engen Straßen wild durcheinander und verursachen ein Chaos, das immer mehr Unfälle fordert – nicht selten mit Toten und Schwerverletzten.
Die Idee zu der zeitgenössischen Berichten zufolge rund acht Meter hohen Ampelanlage stammt vom Eisenbahn-Ingenieur John Peake Knight. Bedient wird sie von einem Polizisten, der ihre schon von weither sichtbaren Zeiger mittels Hebel manuell in zwei verschiedene Positionen bringen kann: Stehen sie waagrecht, müssen Reiter und Kutschen anhalten. Zeigen sie in einem 45-Grad-Winkel nach unten, müssen die Verkehrsteilnehmer sich zwar per Blickkontakt nach links und rechts absichern, haben aber im Prinzip freie Fahrt. Nachts regelt eine rot oder grün leuchtende Laterne die Vorfahrt.
Das im Schienenverkehr bestens bewährte System scheint angesichts der professionellen Vorbereitung – Londons Polizeipräsident hat vor der Inbetriebnahme am 10. Dezember 1868 unter anderem mehr als 10.000 Flugblätter mit entsprechenden Erläuterungen verteilen lassen – auch auf der Straße zu funktionieren. Trotzdem scheitert das Experiment nach nur wenigen Wochen: Die mit Gas betriebene Laterne hat ein Leck, was eines Abends im Januar 1869 eine Explosion auslöst und den bedienenden Polizisten beinahe das Leben kostet. Daraufhin beschließt die Verwaltung die Demontage der Anlage. Bis es zu einer Neubelebung der Idee kommt, vergehen mehr als 40 Jahre.
Eine Ampel für Pferdekutschen? Darüber macht sich in Deutschland kurz vor Gründung des Kaiserreichs mit Sicherheit niemand Gedanken. Schon gar nicht im Großherzogtum Oldenburg, dessen Landeshauptstadt weniger als 15.000 Einwohner hat. In den umliegenden Dörfern wie Lintel liegt zudem das Risiko, bei einem Verkehrsunfall ernstlich Schaden zu erleiden, nahe null – was sich indes von anderen Gefahren kaum behaupten lässt. Potenziell tödliche Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Ruhr etwa treten regelmäßig auf und können jeden treffen. Kurz nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges im Januar 1871 breitet sich zudem eine durch Kriegsgefangene eingeschleppte Pocken-Epidemie aus, die bis September 1871 unter anderem in Ostfriesland wütet.
Als erste Meldungen über das Näherkommen der Seuche das Oldenburger Umland erreichen, bereitet sich Johanns Familie sehr wahrscheinlich gerade auf einen Umzug vor: Vater Hermann hat von Heinrich Kaß einen der ältesten Höfe Lintels (heute: Rainer und Anne Witte) gekauft, den Kaß erst zwei Jahre zuvor vom Nordamerika-Auswanderer Johann Hinrich Petershagen übernommen hatte. Hermann Witte stammt von einem heute nicht mehr bestehenden, einst unter dem Namen „Marcus‘ Hus“ bekannten Hof ganz in der Nähe des neuen Besitzes (Nummer 20 in der Dorf-Chronik von Walter Janßen-Holldiek). Dort sind Johann und seine beiden Schwestern möglicherweise auch geboren. Mutter Gesine Margarete wiederum hat ihre Kinder- und Jugendjahre allem Anschein nach auf einem 1866 aufgegebenen Hof am Dammannweg (Nummer 19) verbracht.
Die Pocken ziehen an Lintel vorüber, und auch eine 1872 im Nachbardorf Altmoorhausen ausgebrochene Ruhr-Epidemie fordert in Johanns Familie keine Opfer. Nur wenige Jahre später kommt es allerdings knüppeldick: Johanns im Juli 1876 geborener Bruder Karl Heinrich stirbt bereits im darauffolgenden Februar, ihm folgt im August 1877 Vater Hermann. Als im März 1878 auch Mutter Gesine Margarete stirbt, werden Johann und seine elf und sieben Jahre alten Schwestern zu Vollwaisen. Als Todesursache nennt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude in beiden Fällen Schwindsucht, ein damals häufig verwendetes Synonym für Tuberkulose.
Wer sich anschließend um die drei Kinder kümmert und mutmaßlich parallel dazu als Pächter den Witte-Hof bewirtschaftet, liegt heute im Dunkeln. Als einzigem Sohn steht Johann jedoch unzweifelhaft das Recht zu, den Hof nach Schulabschluss und Konfirmation weiterzuführen. Bevor es dazu kommt, lebt und arbeitet er aber einem in der Familie erhaltenen Dokument zufolge zunächst im Nachbardorf Grummersort. Dort lernt Johann seine künftige Ehefrau Gesine Catharine Witte kennen, die er im Juni 1897 heiratet und die ihn nach Lintel begleitet.
Aus der Ehe gehen mit Martha (Mai 1898), Johann Heinrich Georg (August 1899), Hermann Gerhard (November 1900) und Karl (Juli 1902) insgesamt vier Kinder hervor. Lediglich Martha und Karl überstehen das Säuglingsalter, und letzterer augenscheinlich auch nur denkbar knapp: Er wird drei Tage nach seiner Geburt mit dem Kirchenbuch-Vermerk „schwach“ im Elternhaus notgetauft. Am Ende ist es jedoch Mutter Gesine Catharine, die knapp fünf Monate später als nächste ihr Leben lassen muss: Sie stirbt am 8. Dezember 1902 im Pius-Hospital in Oldenburg an einem Herzschlag. Für Johann und die zwei überlebenden Kinder eine prekäre Situation, die jedoch die im März 1904 geschlossene Verbindung mit seiner ebenfalls aus Grummersort stammenden zweiten Ehefrau Aline Claußen auffängt. Aus dieser Ehe kommen bis August 1912 mit Adele, Johann Hinrich und Alma drei weitere Kinder hinzu.
Wie Johann den im August 1914 ausbrechenden Ersten Weltkrieg erlebt, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Über einen Einsatz als Soldat ist in der Familie nichts überliefert. Da Johann in jenem verhängnisvollen Sommer bereits 45 Jahre alt ist, dürfte ein solcher Einsatz allerdings kaum zur Debatte stehen. Somit kann er seinen rund 20 Hektar großen Hof sehr wahrscheinlich weiter wie bisher bewirtschaften, muss dabei aber natürlich anders als vor dem Krieg bei einem Betrieb dieser Größe üblich auf die Hilfe etwaiger Bediensteter weitgehend verzichten.
Eine wichtige Stütze in diesen schwierigen Jahren dürfte Sohn Karl sein, der sich aber als der ältere der beiden Söhne nur wenig Hoffnung auf die Fortführung des Hofes machen kann. Daraus zieht er Anfang der 20er Jahre – das genaue Datum ist nicht bekannt – die Konsequenzen und wandert in die USA aus. Tochter Martha heiratet derweil Heinrich Punke aus Grummersort, so dass vermutlich schon vor dem durch schwere wirtschaftliche und politische Verwerfungen gekennzeichneten Inflationsjahr 1923 außer Johann und Ehefrau Aline nur noch die drei Kinder aus zweiter Ehe auf dem Witte-Hof leben.
Viel Zeit, Sohn Johann Hinrich auf seine Rolle als Hof-Nachfolger vorzubereiten, bleibt Johann nicht mehr: Er stirbt am 12. August 1926 an Magenkrebs und wird sechs Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beerdigt.