Hermanda Sophie Johanne Einemann wird am 24. August 1907 als zweites oder drittes Kind von Johann Hermann Wesemann und Mathilde Wesemann auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Guido und Susanne Einemann) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Hermann Diedrich Wesemann und die Zwillingsschwester von Alma Wenke.
Eine Woche vor Hermandas Geburt beginnt in der Liederhalle in Stuttgart der 7. Internationale Sozialistenkongress. Es ist nach vorangegangenen Treffen in Brüssel, Zürich, London, Amsterdam und zweimal Paris die erste Veranstaltung dieser Art auf deutschem Boden. Organisiert für die gastgebende SPD hat sie der Stuttgarter Verleger Johann Heinrich Wilhelm Dietz, es nehmen knapp 900 Delegierte aus 25 Ländern teil. Zu den kontrovers diskutierten Themen gehören neben der aktuellen Weltlage unter anderen der Kolonialismus und das Frauenstimmrecht. Breiten Raum nimmt auch die Frage ein, ob ein drohender Krieg durch Massenstreiks abzuwenden wäre. Anders als die französischen Sozialisten Jean Jaurès und Gustave Hervé räumen führende SPD-Politiker wie August Bebel oder Georg von Vollmar dieser Möglichkeit eher wenig Chancen ein.
Eigenständiger Bestandteil des Kongresses ist eine am 24. August eröffnete Jugendkonferenz, auf der sich die Sozialistische Jugendinternationale gründet. Zu ihrem Vorsitzenden wählt die Organisation Karl Liebknecht. Dabei nimmt der Leipziger Rechtsanwalt und SPD-Politiker noch einmal ausführlich Bezug auf die von ihm einige Monate zuvor veröffentlichte Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“, die er als eine Art Lehrbuch für die nachwachsenden Generationen sieht. „Die proletarische Jugend muss von Klassenbewusstsein und von Hass gegen den Militarismus systematisch durchglüht werden“, lautet einer der Kernsätze daraus; „Wer die Jugend hat, der hat die Armee“ ein anderer. In seiner Abrechnung mit dem für das Militär der damaligen Zeit typischen Kadavergehorsam greift Liebknecht führende Repräsentanten des wilhelminischen Obrigkeitsstaates persönlich an, darunter den preußischen Kriegsminister Karl von Einem.
Nur sechs Wochen nach dem Auftritt in Stuttgart muss sich Liebknecht dafür auf Antrag von Einems vor dem Reichsgericht in Leipzig verantworten. Dort geht es unter anderem um die Frage der unbedingten Gehorsamspflicht eines deutschen Soldaten gegenüber dem Kaiser. Dazu befragt führt Liebknecht aus, dass kaiserliche Befehle null und nichtig seien, wenn sie einen Bruch der Verfassung bezweckten – worin das Gericht letztlich eine Vorbereitung zum Hochverrat sieht und ihn zu 18 Monaten Festungshaft verurteilt. Eine Strafe, die Liebknecht innerhalb der Arbeiterschaft große Popularität beschert: Noch vor seiner Entlassung aus der Festung Glatz in Schlesien wird er im Juni 1908 als SPD-Abgeordneter ins Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, trotz des seine Partei benachteiligenden Drei-Klassen-Wahlrechts.
In bisher nahezu allen Wahlen seit Auslaufen des Sozialistengesetzes im September 1890 hat die SPD Stimmen und Mandate hinzugewonnen – selbst in eher ländlich geprägten Regionen wie dem Großherzogtum Oldenburg. Bei der Landtagswahl vom September 1908 bleibt es allerdings wie schon im Oktober 1905 bei vier Abgeordneten. Anders als in den Arbeitervierteln von Oldenburg oder Delmenhorst ist damals das Bedürfnis, sozialdemokratisch zu wählen, in einem Bauerndorf wie Lintel nicht sonderlich ausgeprägt. An Politik aber dürfte auf dem Wesemann-Hof in jenem Herbst ohnehin niemand großartig Gedanken verschwenden, ist doch erst kurz zuvor, im Juni 1908, Hermandas dreijähriger Bruder Hermann Diedrich verstorben.
Mit den Eltern, Schwester Alma und Großmutter Anna Catharina Busch wächst Hermanda in den folgenden Jahren in Lintel auf. Wahrscheinlich von Frühjahr 1914 an besucht sie zusammen mit Alma die vom Elternhaus 150 Meter entfernt liegende Dorfschule. Dort gehören unter anderem Alma Hoffrogge, Mathilde Hoffrogge, Klara Lampe, Käthe Quitsch und Alwine Runge zu den in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen des Zwillingspaares.
Wenige Monate nach Hermandas Einschulung tritt jene Situation ein, die die Delegierten des Stuttgarter Sozialistenkongresses sieben Jahre zuvor so kontrovers diskutiert hatten: Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Ehefrau Sophie im Juni 1914 bringt die Großmächte Europas an den Rand eines Krieges. Bevor Jean Jaurès in Frankreich dagegen mobil machen kann, wird er selbst von dem Nationalisten Raoul Villain ermordet. In Deutschland wiederum versammelt sich die SPD-Reichstagsfraktion nach Kriegsbeginn geschlossen hinter Kaiser Wilhelm, auch Karl Liebknecht fügt sich zunächst der Fraktionsdisziplin. Vier Monate später verweigert er dann allerdings – als einziger Abgeordneter – weiteren Kriegskrediten seine Zustimmung. Nach einer betont antimilitaristischen Rede am 1. Mai 1916 wird er erneut wegen Hochverrats angeklagt und drei Monate später zu einer Zuchthausstrafe verurteilt.
Zu diesem Zeitpunkt ist die als Augusterlebnis beschriebene Begeisterung vieler Deutscher für den Krieg längst verflogen. Ob es sie in Lintel und den umliegenden Dörfern je in nennenswertem Umfang gegeben hat, lässt sich 110 Jahre später nicht mehr mit Sicherheit beantworten. Dasselbe gilt für die Frage, ob Hermandas Vater Johann Hermann am Krieg teilnimmt. Falls ja, so kehrt er – anders als etwa Hermann Quitsch, der Vater ihrer Schulkameradin Käthe Quitsch – Ende 1918 lebend zurück.
Dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 gehen in Berlin die Abdankung Kaiser Wilhelms und die Ausrufung der Republik voraus – unter anderem durch Karl Liebknecht, der sich allerdings mit seinen eine Räterepublik nach russischem Vorbild anstrebenden Anhängern nicht gegen die von Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Gustav Noske geführte Mehrheits-SPD durchsetzen kann. Nach dem Scheitern des Spartakusaufstandes wird er am 15. Januar 1919 mit mutmaßlicher Billigung Noskes von nationalistischen Freikorps-Mitgliedern ermordet.
Wie Hermanda in Lintel die von weiteren Umsturzversuchen rechts- und linksgerichteter Revolutionäre erschütterte Gründungsphase der Weimarer Republik konkret erlebt, lässt sich nur vermuten. Mag es auch im neugegründeten Freistaat Oldenburg anders als in Bayern, im Ruhrgebiet oder in Mitteldeutschland nicht zu bewaffneten Kämpfen kommen, so leidet sie doch schon bald wie nahezu alle Deutschen unter der sich rasch zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung. Hat Hermanda – bedingt durch persönliche Absprachen oder das in der Gemeinde Hude geltende Jüngstenrecht – im Herbst 1923 bereits die Gewissheit, eines Tages den elterlichen Hof übernehmen zu können? Zu vermuten ist es, und so spielt sie wahrscheinlich zu keiner Zeit ernsthaft mit dem Gedanken, es ihrer Schulkameradin Klara Lampe und deren Schwestern Martha und Sophie gleichzutun und einen Ausweg in der damals stark verbreiteten Hollandgängerei zu suchen.
Mit Einführung der Rentenmark stabilisiert sich zwar die wirtschaftliche Lage, die Landwirtschaft bleibt jedoch vielerorts im Krisenmodus. Im Februar 1927 stirbt Hermandas Großmutter Anna Catharina im Alter von 87 Jahren. Zwar sind ihre Eltern 1927 erst 49 und 52 Jahre alt, doch dass Hermanda fortan auf dem rund 18 Hektar großen Hof mehr und mehr Verantwortung übernimmt, liegt auf der Hand. Den dazu passenden Mann an ihrer Seite findet sie in Georg Einemann, einem abgehenden Sohn vom Hof des Kirchhatter Bauern Heinrich Einemann.
Der am 18. April 1929 in Hude vollzogenen Trauung des Paares folgt im Juni 1931 die Geburt des ersten Sohnes Günter. Im Oktober 1932 heiratet Zwillingsschwester Alma Hermann Wenke aus Köterende. Eine Hochzeit, die gesamtwirtschaftlich unter deutlich schlechteren Vorzeichen steht als Hermandas Vermählung dreieinhalb Jahre zuvor: Die Weltwirtschaftskrise hat das Land fest im Griff und treibt den Nationalsozialisten unter Adolf Hitler in Scharen neue Wähler zu. Am 30. Januar 1933 leitet Reichspräsident Paul von Hindenburg mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler das Ende der Weimarer Republik ein. Das sieben Wochen später vom Reichstag gebilligte Ermächtigungsgesetz ebnet dann den Weg in den NS-Staat. Der wiederum huldigt einem radikalen Militarismus, wie ihn sich ein erklärter Antimilitarist wie Karl Liebknecht vermutlich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht hätte vorstellen können.
Als am 1. September 1939 – wenige Tage nach Hermandas 32. Geburtstag – mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg beginnt, stehen dafür zunächst 4,5 Millionen Soldaten der Wehrmacht bereit. Georg Einemann gehört glücklicherweise nicht dazu und kann in Lintel bei Hermanda, Günter und dem im Januar 1938 geborenen zweiten Sohn Erwin bleiben. Der Grund dafür ist allerdings alles andere als erfreulich. Hermandas Ehemann leidet unter Magenkrebs, der ihn am 24. Februar 1943 im Alter von nur 43 Jahren das Leben kostet. Zu diesem Zeitpunkt leben Hermandas Eltern bereits nicht mehr: Vater Johann Hermann ist im November 1939 verstorben, Mutter Mathilde im April 1940.
Nach Georgs Tod verpachtet Hermanda den Hof an Heinrich und Martha Wiechmann, bewohnt aber mit ihren beiden Söhnen weiter einen Teil des Wirtschaftsgebäudes. Dort erlebt sie im Frühjahr 1945 die Einnahme Lintels durch kanadische Truppen sowie die Kapitulation der Wehrmacht. Dem damit verbundenen Zusammenbruch jeglicher staatlichen Ordnung steht Hermanda in jenen Wochen und Monaten vermutlich ähnlich hilflos gegenüber wie Millionen andere Betroffene und dürfte in erster Linie froh sein, dass sowohl Erwin wie auch Günter – Letzterer mit knapp 14 Jahren nicht mehr allzu weit vom Rekrutierungs-Alter des Volkssturms entfernt – den Krieg unbeschadet überstanden haben. Weil sie ihn auf dem um einige Hektar größeren Hof in Kirchhatten besser mit Lebensmitteln versorgt sieht als zu Hause in Lintel, gibt Hermanda Günter vorübergehend in die Obhut ihres Schwagers Emil Einemann und konzentriert sich ganz darauf, mit Erwin irgendwie über die Runden zu kommen.
Mit der im Juni 1948 vollzogenen Währungsreform und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland elf Monate später brechen wieder bessere Zeiten an. Während Günter beim Altmoorhauser Schmied Siebo Bolte in die Lehre geht, besucht Erwin zunächst weiter die Schule und bereitet sich darauf vor, nach Auslaufen des Pachtvertrages mit Heinrich Wiechmann den Einemann-Hof zu übernehmen. Dabei unterstützt Hermanda ihn nach Kräften – muss aber schon bald nach Günters Verlobung mit Gunda Schlötelburg im Juli 1957 krankheitsbedingt kürzertreten. Sie erlebt zwar noch deren Hochzeit im Dezember 1959 und die Geburt des Enkelsohnes Enno im September 1961, baut aber gesundheitlich immer stärker ab und stirbt schließlich am 10. März 1963 im Alter von 55 Jahren. Beerdigt ist Hermanda drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.