Persönliche Erinnerungen an Bertha Busch

… von Elfriede Stalling (Tochter von Frieda Martens, 1912 – 2004)

Datum der im Januar 2018 von Berthas Urenkel Edmund Schmidt aus Südmoslesfehn übermittelten Aufzeichnung unbekannt

Ich bin Großmutters zweites Enkelkind und will nun von meinen Erinnerungen an meine liebe Oma berichten. Zu Omas Geburtstag holte uns Großvater mit dem Pferdewagen (ein Schimmel und ein braunes Pferd) nach Hurrel. Das war ein Fest für uns. Es gab Butterkuchen, Kranzkuchen und rote Brause, die mochten wir am liebsten. Abends ging es dann zurück nach Kirchhatten über Munderloh auf Sandwegen, anderthalb Stunden dauerte die Fahrt wohl. Als wir größer wurden, gingen wir zu Fuß und abends brachte uns Großvater heim. In den Sommerferien waren wir dann auch mal mehrere Tage bei den Großeltern. Aus dieser Zeit weiß ich nun noch mehr zu berichten.

Aufnahme der Gastwirtschaft Busch um 1912 (zum Vergrößern bitte anklicken)

Durch die große Tür des Hauses kam man zuerst auf die Diele. Dort standen links die Kühe und auf der rechten Seite waren die Boxen für die beiden Pferde. Durch eine weitere Tür mit roten und blauen Scheiben ging es dann in den Verkaufsraum. Auf dem langen Tresen stand eine Waage mit großen und kleinen Gewichten. Dahinter war eine Holzwand mit vielen großen Kästen für Zucker, Salz, Haferflocken und anderes mehr und darüber kleinere Fächer für Gewürze, Schnürbänder, Korken, Sicherheitsnadeln, Haarnadeln und was man sonst noch damals brauchte. Am Ende des Tresens lagen große Schwarzbrote. Wenn sie frisch gebacken hereingebracht wurden, duftete der ganze Raum danach. Einige große Blechtrommeln mit Bonbons standen auch noch auf dem Tresen. Oma gab uns öfter mal drei rote Himbeerbonbons in einer kleinen weißen Spitztüte.

Am Wochenende wurde auch Weißbrot und Zwieback gebacken. Die Bäckerei war in einem Nebengebäude. Der Bäcker, Tümler hieß er, rannte immer in bemehlten weißen Hosen und Haaren herum. Wir gingen gern mal zu ihm in die Backstube und durften auch mal braune Kuchen probieren und Formen ausstechen. An einigen Tagen wurde Brot zu anderen Verkaufsstellen gefahren. Manchmal durften wir mitfahren. Neben dem Bäcker gehörte noch eine Helferin für Haus und Garten zum Haushalt. Alle wohnten im Hause und waren in voller Verpflegung.

Großvater war ein strenger Mann, dem wir wohl auch gerne aus dem Wege gingen, aber Großmutter organisierte alles mit bewundernswerter Ruhe und Güte. Sie hatte wirklich einen vollen Arbeitstag. Zehn Personen waren meistens ganztägig zu verpflegen. Die Kinder waren da, der Garten, der Laden und die Gaststube. Manchmal wurden auch noch Gäste zu Mittag mitverpflegt. Dann wurde eingemacht für den Winter: Sauerkraut, Schnippelbohnen, Äpfel, Birnen und Pflaumen wurden im großen Ofen der Bäckerei getrocknet. Butter wurde selbst gemacht.

Auch Schlachtfeste gab es mehrere Male im Jahr und immer wurden ein Sonntagsbraten und Würste nach Kirchhatten gebracht. Es war ja auch Krieg und wir freuten uns immer, wenn der Opa aus Hurrel kam. Ich erinnere mich auch noch an die Petroleum-Zapfstelle in der Ecke des Ladens. Es gab noch kein elektrisches Licht und an bestimmten Tagen wurden alle Lampengläser geputzt.

Ganz viel Arbeit war immer am Dienstag. Dann kamen alle Dorfbewohner und lieferten Eier ab. Gleichzeitig wurde dann der Lebensmittelbedarf für die kommende Woche eingekauft. An der Ladenseite standen große Eierkisten, und als wir größer waren, durften wir schon mal mit einpacken. Alle kaputtgedrückten Eier wurden in eine Schüssel gelegt und dann gab es mittags Pfannkuchen. Am anderen Tag wurden dann die Eierkisten mit dem Pferdewagen nach Wüsting zur Eiergenossenschaft gefahren.

Noch etwas Besonderes gab es bei meinen Großeltern. Im Garten unter den Linden war eine Kegelbahn. An der Seite wurden die Kegel in einem Holzgestell zurückgeworfen. Sicher nicht mit unseren empfindlichen Bahnen heute zu vergleichen, sie waren ja im Freien und nicht überdacht. Aber Großvater hatte seine Freude daran. Er hatte auch viel Sinn für schöne Gärten und Blumen. Neben der Kegelbahn hatte er nämlich ein rundes Beet angelegt und ringsherum rosa Hyazinthen gepflanzt. So etwas Schönes sah ich zum ersten Mal und den Duft spüre ich noch heute in der Nase.

Familie Busch im Garten, links die Kegelbahn (zum Vergrößern bitte anklicken)

Großvater war auch musikalisch. Im Postzimmer hing eine Geige. Ich habe zwar nie gehört, dass er spielte, aber im Saal stand auch ein Grammophon mit einem großen blauen Trichter. Zur Verlobung einer meiner Tanten wurde tolle Musik gemacht; sehr laut und manchmal krächzte es ganz schön. Im Saal konnte ich auch Radfahren. Meine jüngste Tante gab Hilfestellung. Bei gutem Wetter übte ich auf dem Schulhof gegenüber. Es war auch nicht gefährlich, mit dem Rad auf der Straße zu fahren, es begegnete mir vielleicht einmal ein vollgeladener Heuwagen.

Die Kinder des Hauses waren alle zur Arbeit miteingeteilt. Meine ältere Tante half im Laden und machte die Arbeit für die Post. Wir durften dann beim Eiersuchen und Kükenfüttern helfen. Die Küken wurden bei Sonnenschein unter eine Metallglocke gesetzt. Kleine Ferkel waren auch meistens da. Ganz gerne gingen wir auch mit unserer Tante Else zum Bickbeerpflücken in den Wald. Auch Pfifferlinge gab es damals noch. Oma freute sich, wenn wir viel gepflückt hatten. Dann gab es am nächsten Tag Pudding mit Bickbeeren oder am Abend leckere Pilze mit Bratkartoffeln. Einen schönen weißen Stuten gab es immer, wenn wir zu Besuch da waren, ganz frisch mit Butter, einmalig gut!

Meine Großmutter interessierte sich sehr für die Fortschritte ihrer Enkelkinder in der Schule. Wir mussten ihr öfters vorlesen und auch Gedichte, die wir gelernt hatten, wollte sie immer gern hören. Und Rechenaufgaben stellte sie uns: Wenn sie im Laden etwas verkauft hatte, mussten wir dann später nachrechnen.

Wenn wir Kinder mal Streit hatten, der nicht enden wollte, stellte sie schnell wieder Ordnung her. Ein Spruch von Oma ist mir bis heute in Erinnerung geblieben: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu.“ Sie sagte auch „Der liebe Gott gibt die Nüsse. Aber er knackt sie nicht auf, das müssen wir selber tun.“