Henny Amanda Wilkens wird am 5. April 1914 als drittes Kind von Georg Barkemeyer und Frieda Barkemeyer auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Gerold und Irmgard Wachtendorf) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Erna Heyne und Karl Barkemeyer.
Geht es um das Jahr 1914, so überlagert der Anfang August ausgebrochene Erste Weltkrieg so ziemlich alles andere. Doch es gibt im unmittelbaren Vorfeld der Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts durchaus einige Ereignisse, an die es sich zu erinnern lohnt und die keinerlei Bezug zum Inferno des seit der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie in Sarajevo in der Luft liegenden Krieges haben. So ermöglicht es die Umstellung auf Fließband-Fertigung dem amerikanischen Automobil-Produzenten Henry Ford im Januar, in seinen Fabriken den Acht-Stunden-Tag einzuführen und den Mindestlohn pro Tag von 2,34 Dollar auf 5 Dollar anzuheben. Auf dem 6. Olympischen Kongress in Paris weht Mitte Juni zum ersten Mal die Olympische Flagge mit den fünf Ringen, und am 30. Juli – also unmittelbar vor Kriegsbeginn – überfliegt der Norweger Tryggve Gran als erster Mensch alleine die Nordsee.
Ein weiteres Ereignis mit Erinnerungswert: Am 2. Februar feiert Charlie Chaplin im Film „Making a living“ sein Leinwand-Debut. Überhaupt werden 1914 eine Reihe später sehr bekannter Schauspieler geboren – neben Alec Guinness (2. April) unter anderem Lilli Palmer (24. Mai) und Louis de Funès (31. Juli). Lange Zeit gehört offiziell auch Jane Wyman in diese illustre Reihe, Oscar-Gewinnerin von 1949 und erste Ehefrau des 40. US-Präsidenten Ronald Reagan. Erst nach Wymans Tod 2007 kommt heraus, dass sich die in Wahrheit 1917 geborene Hollywood-Diva 1932 bei ihrem Einstieg ins Filmgeschäft drei Jahre älter macht, um Probleme mit dem Jugendschutz zu vermeiden.
Vom Glanz und Gloria der aufstrebenden Traumfabrik Hollywood sind Hennys erste Lebensjahre in Hurrel 1914 denkbar weit entfernt. Ihren Kriegsdienst leistenden Vater etwa bekommt sie bis 1918 nur sporadisch zu Gesicht. In dieser Zeit muss sich Mutter Frieda zudem nicht nur um den rund 20 Hektar großen Barkemeyer-Hof am heutigen Altenauweg kümmern, sondern vor allem auch um Hennys anderthalb Jahre älteren schwerbehinderten Bruder Karl. Trotz ihrer Nesthäkchen-Rolle lernt Henny deshalb wie die ältere Schwester Erna früh, Verantwortung zu übernehmen.
Als Georg Barkemeyer nach dem verlorenen Weltkrieg nach Hause zurückkehrt, zieht Hennys Mutter für einige Monate nach Bremen, um Karl im dortigen St.-Jürgen-Krankenhaus einer Therapie zu unterziehen. In dieser Zeit werden Henny und Erna von Alma Bührmann betreut, die der Familie in Friedas Abwesenheit den Haushalt führt. Ab Frühjahr 1920 besucht Henny dann die in direkter Nachbarschaft zum Barkemeyer-Hof gelegene Volksschule, wo unter anderem Henny Albers, Hanna Mönnich, Adele Stolle und Henny Wilkens zu ihren nahezu gleichaltrigen Mitschülerinnen gehören.
Nach Konfirmation und Abschluss der Volksschule arbeitet Henny weiter auf dem elterlichen Hof. Am 21. April 1938 heiratet sie Benno Wilkens aus Lintel, einen Vetter ihrer früheren Schulfreundin Henny Wilkens. Die sich daraus ergebende Namensgleichheit währt allerdings gerade einmal vier Wochen, denn am 19. Mai 1938 gibt Henny Wilkens durch die Hochzeit mit Gustav Osterloh aus Munderloh ihren Mädchennamen ab.
Durch die Hochzeit mit Benno scheint für Hennys Eltern das aus der Behinderung des einzigen Sohnes Karl entstandene Nachfolge-Problem gelöst: Benno erklärt seine Bereitschaft, den Barkemeyer-Hof zu übernehmen und lässt sich bei den Schwiegereltern nieder. Weil er sich mit Georg Barkemeyer nicht versteht, zieht er allerdings schon im Herbst 1938 zurück auf den elterlichen Hof nach Lintel (heute: Gerhard Sedlaczek und Frank Peters).
Henny bleibt mit der im Juli geborenen Tochter Irmgard noch einige Monate in Hurrel, um ihre schwer erkrankte Mutter und ihren Bruder zu versorgen. Im Frühsommer 1939 folgt sie Benno nach Lintel und führt dort, als dieser nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zur Wehrmacht eingezogen wird, mit Schwiegermutter Martha Wilkens die zwölf Hektar große Landwirtschaft. Im April 1941 ist die Familie mit der Ankunft der zweiten Tochter Elfriede komplett, allerdings – ähnlich wie 27 Jahre zuvor nach Hennys Geburt – nicht beisammen.
Das Schicksal, nach 1945 als Witwe auf sich allein gestellt ihre Kinder großziehen zu müssen, bleibt Henny erspart: Benno übersteht den Krieg unversehrt, wird aber zunächst in Kairo und dann in einem Lager in den USA interniert und kehrt erst im Frühjahr 1947 nach Lintel zurück. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen danach beide gemeinsam, am Wirtschaftsaufschwung der 50er Jahre teilzuhaben. Benno nimmt ein Darlehen auf und kauft einige Hektar Land hinzu, der Hof wächst – bis sich eines Tages herausstellt, dass es bei einer Umschuldung nicht mit rechten Dingen zugegangen war und Henny und Benno plötzlich sehr viel mehr Geld zurückzahlen müssen als ursprünglich kalkuliert. Sie können den Hof nicht halten, bleiben aber nach der Aufgabe noch einige Jahre dort wohnen und ziehen schließlich im Herbst 1971 an den Helmsweg nach Osternburg.
In dem von vier Parteien bewohnten Haus am Stadtrand von Oldenburg fühlt sich Henny trotz der eher ungünstigen Startbedingungen rasch heimisch, und sie bleibt dort auch wohnen, als Benno Anfang Februar 1976 einem plötzlichen Herzstillstand erliegt. Mit ihren ebenfalls verwitweten Mitbewohnerinnen Henny Willenbrock und Elfriede Werner bildet Henny von diesem Zeitpunkt an mehr als 20 Jahre lang eine verschworene Gemeinschaft. Sie endet erst, als Henny kurz vor ihrem 84. Geburtstag einen Schwindelanfall erleidet und nicht mehr alleine wohnen kann. Anfang Februar 1998 schließt sich deshalb ein Kreis: Henny kehrt zurück in ihr mittlerweile von Tochter Irmgard und Schwiegersohn Gerold Wachtendorf bewohntes Geburtshaus, wo sie am 16. März 2002 stirbt. Beerdigt ist Henny wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.