Aline Gerhardine Witte wird am 18. Juni 1874 als drittes Kind von Johann Dierk Claußen und Anna Catharine Claußen in Grummersort geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Hinrich Rudolph Claußen und Catharine Gesine Claußen.
Vier Tage nach Alines Geburt hat der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still eigenem Bekunden zufolge eine Vision, die sein ganzes künftiges Leben bestimmt. Er wendet sich von der traditionellen Medizin ab und folgt fortan der Eingebung, dass jeder Mensch in seinem Körper über Selbstheilungskräfte verfügt, die im Falle einer Erkrankung nur durch entsprechende Handgriffe aktiviert werden müssen. Später wird er diese Lehre Osteopathie nennen. Der Begriff setzt sich aus den altgriechischen Wörtern „osteon“ für Knochen und „pathos“ für Leiden zusammen und unterstreicht die wichtige Rolle, die das optimale Zusammenspiel von Gelenken, Knochen und Bindegewebe Stills Meinung zufolge für das körperliche Wohlbefinden hat.
Still, der wie viele Landärzte im Mittleren Westen der USA nie eine Universität besucht hat, hadert 1874 schon länger mit der Schulmedizin. Nicht ohne Grund: Manche Behandlungsmethoden – etwa der Aderlass – stammen noch aus der Antike, Medikamente und gängige Schmerzmittel wie Opium oder Morphium wiederum verursachen häufig heftige Nebenwirkungen oder machen abhängig und schaden dadurch mehr als sie nutzen. Vielen Krankheiten stehen Schulmediziner auch einfach nur hilflos gegenüber. Seit 1864 zwei seiner Kinder kurz nacheinander an Meningitis gestorben sind, sucht Still deshalb gezielt nach Alternativen: Er eignet sich im Selbststudium fundierte anatomische Kenntnisse an und beschäftigt sich darüber hinaus mit den Praktiken der indianischen Schamanen.
Erstmals erfolgreich zur Anwendung bringt Still die Osteopathie seiner Autobiographie zufolge im Herbst 1874, als er ein an Ruhr erkranktes Kind allein mit der Kraft seiner Hände heilt. Trotz mancher Anfeindungen von traditionell arbeitenden Ärzten gelingt es Still in den folgenden Jahren, seine Methode zu etablieren und zu verfeinern. Ehemalige Patienten ermuntern ihn 1892, in Kirksville im Bundesstaat Missouri eine eigene Schule zu eröffnen und dort weitere Osteopathen auszubilden. Die ersten Absolventen verlassen sie zwei Jahre später, bleiben aber in den USA noch lange Zeit belächelte Exoten.
Dasselbe gilt für Europa, wo die Osteopathie erst im 20. Jahrhundert durch den Still-Schüler John Martin Littlejohn Fuß fasst. Gleichwohl ist auch dort die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts von zahlreichen Neuerungen in der Medizin geprägt – angestoßen unter anderem von Rudolf Virchow, Robert Koch, Paul Ehrlich und Emil Behring. Alle vier sind eng mit der Charité in Berlin verbunden und liefern wichtige Beiträge gegen die auch in Alines Heimat regelmäßig wütenden Volkskrankheiten Diphtherie und Tuberkulose.
Inwieweit Aline und ihr Umfeld in Grummersort von schweren Erkrankungen betroffen sind, ist in der Familie nicht überliefert. Auch sonst ist über ihre Kinder- und Jugendzeit so gut wie nichts bekannt. Dasselbe gilt für die Umstände, unter denen sie ihren künftigen Ehemann Johann Witte aus Lintel kennenlernt. Letzterer hat vor seiner Hochzeit mit Gesine Catharine Witte im Juni 1897 eine Zeitlang in Grummersort gelebt – möglicherweise kennen sich beide bereits aus dieser Zeit.
Eine völlig neue Situation entsteht Ende 1902, als Johann in Lintel plötzlich Witwer wird und mit Martha und Karl zwei kleine Kinder zu versorgen hat. Vielleicht kommt Aline daraufhin zunächst als Haushälterin auf den Witte-Hof (heute: Rainer und Anne Witte), vielleicht arrangieren aber auch gemeinsame Bekannte die neue Verbindung. Aline und Johann heiraten am 22. März 1904. Aus der Ehe gehen bis August 1912 mit Adele (Mai 1906), Johann Hinrich (Juni 1908)und Alma (August 1912) zwei Töchter und ein Sohn hervor, die zusammen mit ihren beiden älteren Halbgeschwistern aufwachsen.
Der Witte-Hof gehört zu den ältesten Höfen Lintels und umfasst Anfang des 20. Jahrhunderts knapp 20 Hektar. Neben der Kindererziehung also mehr als genug Arbeit für Aline – insbesondere nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zu dem Ehemann Johann aber 1914 als Mittvierziger aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr eingezogen wird. Die beiden Söhne Karl (Jahrgang 1902) und Johann Hinrich wiederum sind glücklicherweise noch zu jung, um Kriegsdienst zu leisten.
Nach dem verlorenen Weltkrieg und der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. bleiben die Zeiten in der neugegründeten Weimarer Republik schwierig – nicht nur, aber ausdrücklich auch in der Landwirtschaft, die im Freistaat Oldenburg lange unter den Folgen der bis 1923 andauernden Hyperinflation zu leiden hat. Aline erlebt in jenen Jahren die Hochzeit von Stieftochter Martha mit Heinrich Punke aus Grummersort, die Auswanderung von Stiefsohn Karl nach Nordamerika und den Tod von Ehemann Johann, der im August 1926 den Kampf gegen Magenkrebs verliert.
Als Hof-Nachfolger steht Sohn Johann Hinrich bereit, während Tochter Adele bald darauf Lintel verlässt und zu Ehemann Bernhard Langhoop nach Pfahlhausen zieht. Aus dieser Beziehung geht im Juni 1930 Alines erstes Enkelkind Menno hervor, dem im Oktober 1934 Enkeltochter Adda folgt. Deren Geburt überlebt Aline nur um wenige Wochen: Sie stirbt am 8. November 1934 an Herzschwäche und wird wenige Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beerdigt.