Benno Wilkens – Biographie

Benno Hermann Wilkens wird am 17. Januar 1914 als erstes Kind von Hinrich Wilkens und Martha Wilkens auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Gerhard Sedlaczek und Frank Peters) geboren. Er ist der ältere Bruder von Gerda Lindemann.

In den ersten Januarwochen des Jahres 1914 zieht ein in Straßburg geführter Prozess weit über die Grenzen des Deutschen Reichs hinaus Aufmerksamkeit auf sich. Vor dem örtlichen Kriegsgericht angeklagt sind mit dem preußischen Leutnant Günter Freiherr von Forstner und seinem Vorgesetzten, Oberst Ernst von Reuter, zwei Protagonisten der Zabern-Affäre. In der elsässischen Kleinstadt Zabern hatte Forstner im Oktober 1913 neu eingetroffene Rekruten ermuntert, mit dem Seitengewehr auf abfällig als „Wackes“ titulierte Einheimische loszugehen, sollten diese nicht den gebührenden Respekt vor ihrer Uniform zeigen. Als die Entgleisung bekannt wird, muss sich Forstner in der Öffentlichkeit von Passanten seinerseits als „Wackes-Leutnant“ verspotten lassen.

Als die Situation nach einem Stadtgang eskaliert, lässt Reuter am 28. November auf dem Platz vor dem Zaberner Schloss 30 willkürlich ausgewählte Bürger festnehmen und über Nacht im dunklen Schlosskeller einsperren – darunter auch den völlig unbeteiligten Präsidenten des Landgerichts. Vier Tage später wiederum verfolgt Forstner wutentbrannt eine Gruppe spottender Arbeiter und bringt einem gehbehinderten, von mehreren Soldaten festgehaltenen Schustergesellen mit seinem Säbel eine klaffende Kopfwunde bei.

Die Vorfälle sorgen bei den bürgerlichen und sozialdemokratischen Fraktionen des Reichstags ebenso für Empörung wie in Frankreich, zu dem Elsass-Lothringen bis 1871 gehört hatte. Gleiches gilt für die am 10. Januar 1914 verkündeten Urteile. Unter Berufung auf eine höchst zweifelhafte, aus dem Jahr 1820 stammende preußische Kabinettsorder sprechen die Richter Reuter vom Vorwurf der Amtsanmaßung, der Freiheitsberaubung und des Hausfriedensbruchs frei. Forstner wiederum billigen sie zu, in Notwehr gehandelt zu haben; eine von einer unteren Instanz zunächst verhängte Gefängnisstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung und rechtswidrigen Waffengebrauchs muss er nicht mehr antreten.

Die bei der Urteilsverkündung anwesenden Militärs brechen in Jubel aus, auch Kaiser Wilhelm II. zeigt sich erfreut und verleiht Reuter postwendend einen Orden. Kronprinz Wilhelm von Preußen hatte den Major bereits vor Prozessbeginn mit den telegrafisch übermittelten Worten „Immer feste druff“ ermutigt, dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit standzuhalten und einen Prestige-Verlust des Militärs um jeden Preis zu vermeiden. „Das Bürgertum hat eine Niederlage erlitten“, kommentiert am 12. Januar 1914 folgerichtig die liberale Frankfurter Zeitung.

Der Ausgang der Zabern-Affäre steht sinnbildlich für die Sonderstellung des Militärs im Kaiserreich. Sie offenbart sich kaum sechs Monate später bei der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Ehefrau Sophie in Sarajevo erneut. In der dem Attentat folgenden Juli-Krise verhindern Scharfmacher wie General Erich von Falkenhayn oder Generaloberst Helmuth Johannes von Moltke jegliche Verständigung zwischen Europas Großmächten – bis Wilhelm II. schließlich am 1. August 1914 Russland den Krieg erklärt und zwei Tage später Frankreich.

An den mehr als vier Jahre andauernden Kämpfen des Ersten Weltkriegs ist Bennos Vater nicht beteiligt, möglicherweise wegen seiner bereits damals angeschlagenen Gesundheit. Hinrich Wilkens stirbt im Juni 1927 mit nur 46 Jahren an Magenkrebs. Schon als Teenager ist Benno deshalb voll in der elterlichen Landwirtschaft gefordert. Ein Fremdjahr auf einem Lehrbetrieb und der zur damaligen Zeit noch nicht zwingend vorgeschriebene Besuch der Landwirtschaftsschule kommen deshalb für ihn nicht in Frage.

Der Wunsch, den von den Eltern seiner Mutter begründeten Hof zu übernehmen, gerät für Benno vorübergehend in den Hintergrund, als er seine zukünftige Ehefrau Henny Barkemeyer aus Hurrel kennenlernt. Da ihr Bruder Karl den Barkemeyer-Hof aufgrund einer schweren Behinderung nicht fortführen kann, fällt dieser über kurz oder lang Henny zu. Nach der Hochzeit im April 1938 lässt sich Benno deshalb auf dem nur anderthalb Kilometer vom Geburtshaus seines Vaters an der Pirschstraße entfernt liegenden Familiensitz der Schwiegereltern (heute: Irmgard und Gerold Wachtendorf) nieder.

Dort angekommen, gibt es jedoch von Beginn an Differenzen mit seinem Schwiegervater Georg Barkemeyer. Um diesen aus dem Weg zu gehen und um seinen Anspruch auf den elterlichen Hof zu untermauern – im August 1938 heiratet auch Schwester Gerda – kehrt Benno schon im Herbst desselben Jahres nach Lintel zurück. Henny folgt ihm im Frühjahr 1939 mit der im Juli geborenen Tochter Irmgard, und gemeinsam mit Bennos Mutter Martha bewirtschaften künftig beide den damals rund zwölf Hektar großen Betrieb.

Die Zeit, die Benno mit der wiedervereinigten Familie genießen kann, ist kurz. Anfang September 1939 beginnt mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg, und noch vor der Geburt der zweiten Tochter Elfriede im April 1941 liegt Bennos Einberufungsbescheid zur Wehrmacht auf dem Tisch. Der Versuch, der seit 1933 regierenden Nationalsozialisten, die Welt zu erobern, endet für Benno letztlich glimpflich: Er übersteht den Krieg ohne ernsthafte Verletzungen, gerät aber in Gefangenschaft und kehrt nach Internierungen in Kairo und in einem Lager in Nordamerika erst im Frühjahr 1947 nach Lintel zurück.

Um den Hof zu vergrößern, nimmt Benno bald nach seiner Rückkehr ein Darlehen auf. Er kauft einige Hektar Land hinzu und einen Traktor, mit dem er auch für andere Bauern im Dorf Lohnarbeiten übernimmt. Ein Geschäftsmodell, das durchaus hätte funktionieren können – wäre Benno nicht bei einer einige Jahre später in die Wege geleiteten Umschuldung an die falschen Leute geraten. Weil er dadurch wesentlich mehr Geld zurückzahlen muss als ursprünglich kalkuliert, bleibt ihm keine andere Wahl, als den Hof zu verkaufen und 1968 im Alter von 54 Jahren beruflich noch einmal ganz von vorne zu beginnen.

Um sich und Henny über die Runden zu bringen, arbeitet Benno fortan morgens auf der Molkerei in Wüsting und nachts bei einer Wach- und Schließgesellschaft in Oldenburg. Zwischen dem Hof, auf dem beide weiter wohnen, und seinen Arbeitsstätten pendelt er mit dem Fahrrad hin und her und legt so pro Jahr weit über 5.000 Kilometer zurück – die regelmäßigen Besuche bei den Töchtern in Hurrel und Hudermoor nicht mitgerechnet.

Als die Molkerei Wüsting im Herbst 1971 schließt, ziehen Benno und Henny an den Helmsweg nach Osternburg. Dadurch fällt ein Großteil der täglichen Fahrrad-Touren weg, doch nun arbeitet Benno abwechselnd am Tag und in der Nacht. Eine auf Dauer zu hohe Belastung, die schließlich Anfang 1976 ihren Tribut fordert: Kurz bevor er am Nachmittag des 3. Februar zu einer weiteren Nachtschicht aufbrechen muss, erleidet Benno in seiner Wohnung einen plötzlichen Herzstillstand und stirbt noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Beerdigt ist er sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.