Harm Hinrich Hartmann wird am 23. Mai 1780 als erstes Kind von Hinrich Hartmann und Gesche Hartmann in Lintel geboren. Er ist der ältere Bruder von Johann Hinrich Hartmann und Ahlke Margarete Heyne.
Vier Tage vor Harm Hinrichs Geburt tritt im Nordosten der USA ein Naturphänomen auf, das als „Dark Day“ in die Geschichtsbücher eingeht. Nachdem der Tag in den Neuengland-Staaten Massachusetts, New Hampshire und Maine sonnig und windstill beginnt, färbt sich gegen 10.30 Uhr der Himmel plötzlich schwarz, es wird dunkler als in einer mondlosen Nacht. „Die Hühner zogen sich in ihre Ställe zurück, die Hähne krähten ihren Abendruf, die Menschen mussten sich Kerzen in ihren Häusern anzünden“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. In etwas abgeschwächter Form erreicht das beängstigende Schauspiel am frühen Nachmittag neben Vermont, Rhode Island und Connecticut auch New York und Teile von Pennsylvania.
Während Wissenschaftler wie der Harvard-Gelehrte Samuel Williams umgehend mit der Dokumentation des Geschehens beginnen, bricht andernorts Panik aus. Nicht wenige Menschen glauben an den Beginn des Jüngsten Gerichts und flüchten sich in die Kirchen – oder in die nächstgelegene Bar, um vor dem Untergang noch ein letztes Glas Bier zu trinken. Dazu überliefert ist ein Zitat von Abraham Davenport, Mitglied des Repräsentantenhauses von Connecticut. Den Vorschlag, eine für den Nachmittag angesetzte Sitzung kurzfristig zu verschieben, soll er mit folgenden Worten abgelehnt haben: „Das Jüngste Gericht kommt entweder oder nicht. Wenn es nicht kommt, gibt es keinen Grund zur Vertagung. Wenn es kommt, dann möchte ich gerne bis dahin meine Pflicht getan haben.“
Zwar ist auch die dem „Dark Day“ folgende Nacht dunkler als jede andere zuvor in der Region dokumentierte. Am nächsten Morgen jedoch geht über den Staaten Neuenglands wieder ganz normal die Sonne auf, die Panik legt sich. Manche Religionsgemeinschaften interpretieren die Ereignisse des 19. Mai 1780 allerdings bis heute als göttliche Warnung. In wissenschaftlichen Kreisen hingegen gelten Waldbrände in Kanada oder im Mittleren Westen als wahrscheinlichste Ursache.
Wie auch immer: Das Ereignis trifft das Land in einem äußerst kritischen Moment. Die 13 Kolonien, die am 4. Juli 1776 ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erklärt hatten, befinden sich nach wie vor im Krieg mit dem einstigen Mutterland und mussten erst eine Woche zuvor eine bittere Niederlage einstecken: Am 12. Mai 1780 hatte der britische General Henry Clinton nach zweimonatiger Belagerung die Stadt Charles Town in South Carolina eingenommen. Es ist die bislang schwerste Niederlage der Aufständischen. Erst nach der Schlacht von Cowpens im Januar 1781 gewinnen sie wieder die Oberhand und zwingen die Briten im November 1782 zu einem Vorfrieden, der schließlich zehn Monate später im Frieden von Paris offiziell bestätigt wird.
All die genannten Ereignisse dürfte in Lintel und den umliegenden Dörfern des Herzogtums Oldenburg kaum jemand zur Kenntnis nehmen. In den Jahren vor der Französischen Revolution und ihren schon bald auch für Norddeutschland gravierenden Folgen geht es in der Region noch ausgesprochen friedlich zu. Harm Hinrichs Vater arbeitet als Heuermann auf einem seit 1871 nicht mehr bestehenden Hof im Bereich des Altdorfes (in der Linteler Chronik von Walter Janßen-Holldiek als „alter von-Runnen-Hof“ bezeichnet). Von dort aus besucht Harm Hinrich ab 1786 oder 1787 die gemeinsam mit dem Nachbardorf Hurrel betriebene Volksschule (heute: Gerold und Anke Schröder).
Im Laufe des Jahres 1795 begründet Hinrich Hartmann am zu Altmoorhausen gehörenden Lemmelweg eine eigene Hofstelle. Der Bau des dazugehörigen Wohnhauses kommt allerdings nur schleppend voran: Laut der Altmoorhauser Chronik von Erika Burhop kann die Familie es erst 1799 beziehen. Burhops Recherchen zufolge arbeitet Harm Hinrich zu diesem Zeitpunkt bereits als Schneider in Hude, macht den Umzug von Lintel nach Altmoorhausen also nicht mehr mit. Vier Jahre später stirbt Vater Hinrich, der sich als Hollandgänger im Nachbarland ein Zubrot verdient, unter heute nicht mehr rekonstruierbaren Umständen in Amsterdam.
Während sein jüngerer Bruder zusammen mit Mutter Gesche den Hof in Altmoorhausen fortführt, heiratet Harm Hinrich im November 1803 Anna Margarete Pieper aus Hurrel. Die Witwe von Claus Pieper bewirtschaftet zusammen mit ihrem Vater Bernd Stolle dessen Hof am Drengort (heute: Gerd und Ute Schwarting) und bringt in die Beziehung mit ihrem elf Jahre jüngeren Ehemann die Kinder Anna Marie, Bernd und Claus Junior ein. Mit Johann Hinrich (November 1804), Hinrich (November 1807), Hermann (Juli 1810) und Mette Katharine kommen bis November 1812 vier weitere Kinder hinzu. Deren Geburt fällt in eine für Harm Hinrichs Heimat extrem bewegte Phase: Kann Oldenburgs seit 1785 amtierender Landesherr Peter Friedrich Ludwig sein Herzogtum zunächst noch weitgehend aus den Napoleonischen Kriegen heraushalten, so zwingt ihn der Einmarsch französischer Revolutionstruppen im Dezember 1810 zwei Monate später ins russische Exil. Die nun beginnende Oldenburgische Franzosenzeit wiederum ist vor allem gekennzeichnet durch eine Vielzahl neuer Steuern sowie die Rekrutierung von Soldaten für den im Juni 1812 beginnenden Russland-Feldzug.
Wie stark Harm Hinrichs Familie von diesen Ereignissen betroffen ist, lässt sich mehr als 200 Jahre später allenfalls erahnen. Doch auch nach Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und der anschließenden Rückkehr Peter Friedrich Ludwigs aus dem Exil bleiben die Lebensverhältnisse im befreiten und auf dem Wiener Kongress zum Großherzogtum erhobenen Oldenburg schwierig. Dazu trägt nicht zuletzt ein ganz besonderes Naturphänomen bei: Durch den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 legt sich ein Asche-Schleier um den gesamten Erdball und sorgt für einen beispiellos kalten Sommer 1816, mit allen daraus resultierenden negativen Folgen für die Landwirtschaft.
Fast zeitgleich mit Mutter Gesche in Altmoorhausen stirbt im August 1820 auch Harm Hinrichs Ehefrau Anna Margarete. Daraufhin heiratet er im April 1822 Catharine Elisabeth Barkemeyer, die jüngere Schwester seiner seit 1812 mit Bruder Johann Hinrich verheirateten Schwägerin Trine Margarete und eine abgehende Tochter des in Hurrel direkt am Brink gelegenen Hofes von Bernd Barkemeyer (heute: Michael und Sara Westphal). Mit der Geburt von Gesina Margareta (März 1823), der Zwillinge Anna und Gesche (April 1925), Margareta (März 1829) und Johann Hinrich (August 1834) erhöht sich die Zahl von Harm Hinrichs leiblichen Kindern in den folgenden zwölf Jahren auf neun.
Wer davon wie lange auf dem über zwei Heuerhäuser verfügenden Hartmann-Hof wohnt, liegt heute im Dunkeln – ebenso, wie viele seiner Enkelkinder Harm Hinrich zu Lebzeiten noch kennenlernt. Dass Hermann, der jüngste Sohn aus Harm Hinrichs erster Ehe, den Hof später einmal fortführen soll, scheint relativ früh festzustehen. Hermann heiratet im Dezember 1837 Gesche Margarete Schütte aus Munderloh, stirbt aber bereits im September 1859 im Alter von 49 Jahren.
Zu diesem Zeitpunkt hat Harm Hinrich den Hartmann-Hof bereits verlassen und sich mit Ehefrau Catharine Elisabeth im Nachbardorf Kirchkimmen niedergelassen. Dort stirbt er knapp vier Monate nach Hermanns Tod, am 24. Dezember 1859. Beerdigt ist Harm Hinrich sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.