Sophie Grummer – Biographie

Sophie Ernestine Grummer wird am 14. Dezember 1883 als erstes Kind von Bernhard Schwarting und Anna Schwarting auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Georg Hollmann) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Diedrich Schwarting, Heinrich Schwarting, Friedrich Schwarting und Johanne Dählmann.

Wenige Wochen vor Sophies Geburtstag beginnt in Hamburg der Abriss jener Wohnviertel, die der vom Senat beschlossenen Speicherstadt weichen müssen. Betroffen sind in erster Linie die Elbinseln Kehrwieder und Wandrahm, auf denen teilweise dicht gedrängt in Gängevierteln mehr als 20.000 Menschen wohnen. Doch auch vornehme Bürgerhäuser fallen dem neuen Lagerhaus-Komplex zum Opfer, dessen Bau Teil des 1881 zwischen Hamburg und dem Deutschen Reich ausgehandelten Zollanschluss-Abkommens ist. Die Speicherstadt soll dabei als Freihafen dienen, in dem die Hamburger Kaufleute weiter zollfrei Importgüter lagern, veredeln und verarbeiten dürfen.

Die meisten der zwangsumgesiedelten Inselbewohner kommen in rasch hochgezogenen Arbeitersiedlungen in Barmbek und Hammerbrook unter. In ihrer alten Heimat entstehen derweil Straßen, neu angelegte Fleete und Lagerhäuser, die auf bis zu zwölf Meter tief in den Elbschlick gerammten Eichenpfählen ruhen. Erstmals in Deutschland dokumentiert der Senat dabei die städtebaulichen Veränderungen: Im Auftrag des Baudezernats hat der Hamburger Fotograf Georg Koppmann die zum Abriss freigegebenen Häuser und Straßenzeilen für die Nachwelt festgehalten, entsprechende Bildmappen stehen ab Dezember 1883 zum Verkauf. Sie sind allerdings mit einem Preis von 140 Mark – fast der doppelte Wochenlohn eines Hafenarbeiters – extrem teuer.

Der erste Bauabschnitt, an dessen Ende die feierliche Einweihung durch Kaiser Wilhelm II. steht, zieht sich bis 1888 hin. Bereits 1891 beginnt die bis 1897 andauernde Erweiterung der Speicherstadt um drei zusätzliche Blöcke. Als auch diese fertiggestellt sind, lebt Sophie mit ihrer Familie bereits im Nachbardorf Hurrel: Ihre Eltern haben 1896 am Hesterort eine von Heidefläche umgebene Hofstelle (heute: Heiko und Anieka Schwarting) gekauft.

Der Ortswechsel bringt für Sophie zunächst noch keinen Schulwechsel mit sich: Sie besucht wie alle Kinder in ihrer neuen Nachbarschaft weiter in Lintel den Unterricht, denn Hurrel bekommt erst 1897 auf Initiative des damaligen Gastwirts Carl Busch ein eigenes Schulgebäude (heute: Gunda Hagestedt). Ob Sophie dort noch ihr letztes Schuljahr verbringt, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Da sie erst im Dezember 1883 geboren ist, liegt diese Vermutung jedoch nahe, und Sophie dürfte zusammen mit Heinrich Ahrens und Dietrich Schütte – beide sind ebenfalls im zweiten Halbjahr 1883 geboren – zu den ältesten Schülern des Gründungsjahrgangs gehören.

Ob Sophie nach Schulabschluss und Konfirmation zunächst weiter im elterlichen Betrieb mitarbeitet oder woanders in Stellung geht, ist in der Familie ebenfalls nicht mehr bekannt. Gut möglich, dass es sie ins Nachbardorf Altmoorhausen verschlägt – dort wohnt ihr künftiger Ehemann Hermann Grummer. Spätestens nach der Hochzeit am 1. Mai 1906 zieht Sophie auf den Hof ihres Schwiegervaters Johann Grummer am Pohlweg (heute: Henning Struthoff). Der Geburt von Sophies und Hermanns erster Tochter Alma im Februar 1907 folgen im September 1908 der Tod des Schwiegervaters und im Mai 1909 die Geburt der zweiten Tochter Hermine.

Der Grummer-Hof ist zwar mit rund 35 Hektar für damalige Verhältnisse bereits recht groß, ähnlich wie bei Sophies Eltern am Hesterort sind aber längst nicht alle Flächen kultiviert. Entsprechend hart muss man sich Sophies und Hermanns Arbeitsalltag vorstellen, den der im Sommer 1914 ausbrechende Erste Weltkrieg jäh unterbricht. Während Hermann zur Armee eingezogen wird, versucht Sophie den Betrieb irgendwie am Laufen zu halten.

In diese Zeit fällt ein besonders einschneidendes Ereignis in Sophies Leben: Im Sommer 1917 – Hermann ist gerade auf Heimaturlaub – schlägt auf dem Hof ein Blitz ein und lässt das Hauptgebäude bis auf die Grundmauern niederbrennen. Daraufhin zieht Sophie mit ihren beiden Töchtern Informationen aus der Familie zufolge für eine Zeitlang auf den Hof ihrer Eltern nach Hurrel zurück: Da ihr als designierter Hoferbe feststehende Bruder Diedrich ebenfalls am Weltkrieg teilnimmt, ist dort jede zusätzliche Hilfe willkommen.

Nach Kriegsende wohnt Sophie mit Hermann, Alma und Hermine auf dem eigenen Hofgelände zunächst in einem bereits 1693 erbauten Heuerhaus, ehe 1921 das neu errichtete Hauptgebäude bezugsfertig ist. Kurz darauf wird Sophie noch einmal Mutter: Am 21. Januar 1922 macht Sohn Bernhard die Familie komplett.

Derweil leidet die Ende 1918 ausgerufene Weimarer Republik weiter unter den politischen und wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs: Anfang Februar 1922 löst ein Streik der Reichseisenbahner eine Regierungskrise aus, die Reichskanzler Joseph Wirth erst zwei Wochen später mit Mühen durch eine Vertrauensabstimmung entschärfen kann. Teile des Rheinlands sind noch immer von Frankreich besetzt, am 20. Juni 1922 muss Deutschland Ostoberschlesien an Polen abtreten. Wiederum vier Tage später ermorden Aktivisten der rechtsradikalen Organisation Consul Reichsaußenminister Walther Rathenau.

Haben die genannten Ereignisse auf die Menschen in Altmoorhausen und den benachbarten Dörfern keinen direkten Einfluss, so bekommen sie spätestens im folgenden Jahr die Folgen der sich zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung unmittelbar zu spüren. Erst mit der Einführung der Rentenmark im November 1923 bessert sich die Lage etwas. Wie Sophie mit ihrer Familie diese schwierige Phase übersteht, lässt sich mangels Zeitzeugen-Berichten nur vermuten.

Auch über die folgenden Jahre in Sophies Leben ist nur noch wenig bekannt. Während die Töchter Alma und Hermine den Grummer-Hof spätestens mit ihrer Hochzeit 1932 und 1936 verlassen, wächst Sohn Bernhard heran und wird von seinen Eltern gezielt als Nachfolger aufgebaut. Dazu soll es jedoch nicht kommen: Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 löst der NS-Staat die Weimarer Republik ab – der Remilitarisierung des Rheinlandes folgen der Anschluss Österreichs, die Zerschlagung der Tschechoslowakei und mit dem Überfall auf Polen schließlich der Zweite Weltkrieg. Bei dessen Beginn im September 1939 ist bereits absehbar, dass auch Bernhard früher oder später seinen Stellungsbefehl erhalten wird. Für Sophie Erzählungen aus der Familie zufolge eine nahezu unerträgliche Vorstellung.

Bernhards Einsatz im am 22. Juni 1941 beginnenden Russland-Feldzug, an dessen verlustreichem Ende er zu den zigtausenden Vermissten auf beiden Seiten gehört, erlebt Sophie nicht mehr mit. Sie stirbt bereits am 9. Juni 1941 und wird wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.