Günter Einemann – Biographie

Günter Lothar Einemann wird am 29. Juni 1931 als erstes Kind von Georg Einemann und Hermanda Einemann in der Landesfrauenklinik an der Kanalstraße in Oldenburg geboren. Er ist der ältere Bruder von Erwin Einemann.

In den Wochen um Günters Geburt trifft die bereits im Herbst 1929 in den USA ausgebrochene Weltwirtschaftskrise mit voller Wucht Deutschland. Auslöser ist die sich abzeichnende Pleite des Nordwolle-Konzerns: Der in Bremen und Delmenhorst ansässige und in seiner Branche zu den Weltmarktführern zählende Verarbeiter von Wolle und Kammgarn hat in den Jahren zuvor ein enormes Wachstum hingelegt, das aber größtenteils auf Kredit finanziert ist. Vorstandschef Georg Carl Lahusen – ein Enkel des Firmengründers Christian Lahusen – hat darüber hinaus systematisch die Bilanzen des Unternehmens gefälscht. Als sich die Manipulationen nicht mehr verheimlichen lassen und das ganze Ausmaß der Überschuldung bekannt wird, tritt Lahusen am 17. Juni 1931 von seinem Amt zurück.

Für eine Schadensbegrenzung ist es da längst zu spät. Denn am Konkurs führt für die Nordwolle kein Weg vorbei, und sie reißt ihren größten Gläubiger, die Danatbank in Berlin, mit in den Abgrund. Insgesamt 48 Millionen Euro schuldet Lahusens Konzern der damals zweitgrößten Geschäftsbank Deutschlands, die in jenen Krisen-Monaten überdies den Abfluss von zahlreichen Einlagen aus dem Ausland verkraften muss. Am 23. Juni informiert daraufhin der allein haftende Danatbank-Gesellschafter Jakob Goldschmidt Reichskanzler Heinrich Brüning über die drohende Zahlungsunfähigkeit seines Instituts. Diesem zunächst noch unter Verschluss gehaltenen Eingeständnis folgen zahlreiche Krisengespräche zwischen Regierung, Reichsbank und führenden Bankenvertretern, die jedoch keine Lösung bringen. Am 12. Juli 1931 – einem Sonntag – erlässt die Regierung schließlich eine Notverordnung, in der sie die volle Garantie für alle Einlagen der Danatbank übernimmt und zudem ihre Schließung verfügt. Alle anderen Kreditinstitute bleiben hingegen geöffnet.

Eine Entscheidung, die sich schon am nächsten Tag rächt. Weil zahlreiche Bankkunden fürchten, bei einer weiteren Zuspitzung der Lage nicht mehr an ihr Geld zu kommen, bilden sich überall lange Schlangen vor den Filialen. Mit der Dresdner Bank und der Rheinischen Landesbank erklären zwei weitere Institute ihre Zahlungsunfähigkeit, so dass die Regierung für den 14. und den 15. Juli zwei nationale Bankfeiertage anordnet. Erst am 15. August gibt sie den Zahlungsverkehr wieder vollständig frei. Die Börsen bleiben sogar bis Anfang September geschlossen. Aus dem Krisenmodus finden in der Folge dennoch weder der Kreditsektor noch die deutsche Wirtschaft als Ganzes hinaus. Bis zum Frühjahr 1932 steigt die Zahl der Arbeitslosen auf sechs Millionen, und immer mehr Bürger verlieren das Vertrauen in die bisherige Politik: Bei der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 können die demokratiefeindlichen Nationalsozialisten unter Adolf Hitler ihren Stimmenanteil auf 37,3 Prozent mehr als verdoppeln. Nur sechs Monate später bestimmt Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler zum neuen Reichskanzler.

In Lintel hat Günter – bei der Machtergreifung am 30. Januar 1933 gerade einmal anderthalb Jahre alt – verständlicherweise keinerlei Erinnerung an diese dramatische Phase der deutschen Geschichte. Für ihn gehören die fortan im NS-Staat allgegenwärtigen Hakenkreuzfahnen von frühester Kindheit an zur vertrauten Kulisse, und auch dem menschenverachtenden Erziehungsideal der Nationalsozialisten, demzufolge die deutsche Jugend „flink wie ein Windhund, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“ zu sein habe, können er und ähnlich alte Spielkameraden wie Walter Borgmann, Günther Claußen, Hans Möhlenbrock oder Helmut Rodiek nach ihrer Einschulung in die dorfeigene Volksschule kaum entrinnen. Ihr Glück: Beim Ausbruch des von Hitler und seinen Getreuen provozierten Zweiten Weltkriegs sind alle vier zu jung, um noch in das blutige und mit der totalen Niederlage endende Geschehen hineingezogen zu werden.

Als im Frühjahr 1945 kanadische Truppen Lintel einnehmen und dadurch für kurze Zeit jeglicher Schulbetrieb unmöglich wird, ist Günter bereits seit rund zwei Jahren Halbwaise. Vater Georg kommt allerdings nicht im Krieg zu Tode, sondern erliegt 1943 einer Magenkrebserkrankung. Was den Verlust für Günter, Mutter Hermanda und den 1938 geborenen Bruder Erwin nicht leichter macht. Da sie den von ihren Eltern Johann Hermann und Mathilde Wesemann übernommenen, rund 18 Hektar großen Hof an der Linteler Straße (heute: Guido und Susanne Einemann) alleine nicht bewirtschaften kann, holt Hermanda Einemann sich als Pächter Heinrich und Martha Wiechmann ins Haus – bleibt aber mit ihren beiden Söhnen an Ort und Stelle wohnen.

Das achte, bis April 1946 dauernde Schuljahr absolviert Günter nicht mehr in Lintel, sondern in Kirchhatten. In dieser Zeit lebt er auf dem Hof seines Onkels Emil Einemann, der sich über jede helfende Hand freut und ihn in jenem chaotischen und an Mängeln jedweder Art reichen ersten Nachkriegsjahr vermutlich besser satt bekommt als Mutter Hermanda zu Hause. Da er nach dem Schulabschluss zunächst keine der rar gesäten Lehrstellen ergattert, bleibt Günter noch ein zweites Jahr dort – träumt aber weiter von einem Berufsweg außerhalb der Landwirtschaft, da auf der Hofstelle in Lintel angesichts des in der Gemeinde Hude geltenden Jüngstenrechts Bruder Erwin als Nachfolger gesetzt ist.

Tatsächlich hat Günter im nächsten Anlauf mehr Glück. Im Frühjahr 1947 sucht Siebo Bolte für seine an der Bremer Straße in Altmoorhausen betriebene Schmiede (heute: Hans Witte) einen neuen Lehrling und entscheidet sich am Ende für ihn. Ohne diese Entscheidung je bereuen zu müssen, wie ein drei Jahre später nach der mit „Sehr gut“ (Theorie) und „Gut“ (Praxis) bestandenen Abschlussprüfung ausgestelltes Firmen-Zeugnis zum Ausdruck bringt: Darin bescheinigt Bolte Günter, der inzwischen wieder mit Mutter und Bruder in seinem Elternhaus wohnt, ebenfalls „sehr gute“ Kenntnisse und Fähigkeiten sowie ein Betragen „ohne Tadel“.

Mit diesen Referenzen und dem frisch erworbenen Gesellenbrief im Rücken bewirbt Günter sich kurz darauf beim Tweelbäker Schmiedemeister Wilhelm Gebken (heute: Hagestedt & Menkens) – der mit einer Zusage nicht lange zögert. Erster Arbeitstag auf dem Firmengelände an der Hatter Landstraße ist der 24. Juli 1950, insgesamt wird Günter seinem neuen Arbeitgeber 17 Jahre lang die Treue halten.

Das Jahr 1950 nimmt in Günters Leben noch aus einem zweiten Grund einen ganz besonderen Stellenwert ein. In jenem Jahr nämlich erwacht der 1892 gegründete Schützenverein Lintel nach zehnjähriger Pause zu neuem Leben. Günter wirkt daran von Anfang an begeistert mit und landet gleich bei seinem ersten größeren Wettkampf einen Volltreffer: Als bester Einzelschütze des gastgebenden Vereins trägt er im September 1950 entscheidend dazu bei, einen zwischen Lintel, Hurrel und Hemmelsberg ausgeschossenen Wanderpokal im Dorf zu behalten. Eigentlich eine gute Voraussetzung, um beim nächsten, wie in den Vorkriegsjahren traditionell zu Himmelfahrt gefeierten Schützenfest als König den Platz zu verlassen. Indes, auf den von vielen Kameraden ähnlich sehnlich begehrten Titel muss Günter noch bis Ende Mai 1957 warten. Dafür ist es für ihn in jenem denkwürdigen Frühjahr bereits der zweite Anlass, ausgiebig zu feiern: Vier Wochen zuvor hat er in Lüneburg die Meisterprüfung zum Landmaschinenmechaniker bestanden.

Im Juli 1957 verlobt Günter sich mit Gunda Schlötelburg, die wie er selbst in Lintel aufgewachsen ist. Beide kennen sich seit Kindertagen, gefunkt zwischen ihnen hat es im November 1954 auf einem Landvolk-Ball in der Gaststätte von Mathilde Knutzen. Die angestrebte gemeinsame Zukunft vor Augen, beginnt Günter am Schnitthilgenloh in Rufweite zum elterlichen Hof mit dem Bau eines Wohnhauses. Unmittelbar vor dem Einzug läuten dann am 18. Dezember 1959 die Hochzeitsglocken. Der Geburt des ersten Kindes Enno im September 1961 folgen mit Guido (Mai 1967) und Marco (September 1974) zwei weitere Söhne.

Zwar ist Günter all die Jahre hinweg mit seiner Arbeit in der auf Schlepper und andere Landmaschinen spezialisierten Schlosserei von Wilhelm Gebken sehr zufrieden. Gleichwohl reizt es ihn nach der bestandenen Meisterprüfung durchaus, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen, und er beschließt, zunächst in kleinem Rahmen auszuprobieren, ob und wie es funktionieren könnte. Dazu kauft er Mitte der 1960er Jahre auf einem Schrottplatz im Ammerland für wenig Geld eine ausrangierte Planierraupe von Hanomag und macht sie wieder funktionstüchtig. Mit ihr übernimmt Günter nach Feierabend auf Anfrage in Lintel, in den Nachbardörfern oder auch im Umfeld seines Onkels in Kirchhatten diverse Auftragsarbeiten. Mal ist es ein Erdhügel, der abgetragen werden muss, ein anderes Mal geht es darum, den Grundriss für eine neue Scheune auszuheben. Doch wie auch immer der Auftrag lautet: Günter liefert stets akkurat und für vergleichsweise wenig Geld, was sich natürlich schnell herumspricht. Durch die positive Resonanz und immer neue Aufträge ermutigt, kündigt er im Februar 1967 bei Gebken in Tweelbäke und meldet die bisherige Nebentätigkeit als Hauptgewerbe an.

Die Auftragslage bleibt auch danach gut. So gut, dass Günter neben Ehefrau Gunda, die von Beginn an für die Buchhaltung verantwortlich zeichnet, schon bald externe Mitarbeiter einstellen muss. Als erster kommt Bernd Wiechmann aus Dingstede an Bord, einige Jahre später dann Günters Nachbar Gerold Neuhaus sowie weitere Angestellte wie der ehemalige Gebken-Kollege Hans Lange. Zum Angebot gehören da längst nicht mehr nur klassische Erd- und Planierarbeiten, sondern auch Bodenkultivierung – häufig im Auftrag des Unterhaltungsverbandes Wüsting – sowie das Tiefpflügen von zuvor wenig ertragreichen Böden. Die dafür notwendigen Maschinen inklusive Tieflader für den Transport schafft Günter nach und nach an, neben dem Wohnhaus am Schnitthilgenloh entsteht zudem schon Anfang der 1970er Jahre eine Werkhalle für Reparaturarbeiten.

Mögen die meisten Tage im Jahr auch noch so randvoll mit Arbeit belegt sein, für sein neben dem Schießsport zweites großes und schon lange vor der Selbstständigkeit betriebenes Hobby schafft Günter sich regelmäßig Freiraum: das Reisen. Den Zelt-Urlauben der frühen Jahre folgen alsbald Touren im geliehenen und dann im gekauften Wohnwagen, wobei die bevorzugt angesteuerten Ziele außer in Deutschland unter anderem in Frankreich und Italien liegen. Zu den Höhepunkten gehören sicher eine 1984 gemeinsam mit Ehefrau Gunda und den Nachbarn Hella und Kurt Bisanz unternommene USA-Rundreise sowie ein Kanada-Trip einige Jahre später.

Dann ist da wie gesagt noch der Schießsport. Die Wettkämpfe, zu denen Günter im Laufe der Jahrzehnte für den Schützenverein Lintel antritt, lassen sich kaum zählen. Nach 1957 wird er 1984 zum zweiten Mal Schützenkönig, dazu kommen – auch wegen noch nicht abgelaufener Königssperren – diverse Amtszeiten als erster oder zweiter Adjutant. Neben Günter und dem ältesten Sohn Enno, der sich davon losgelöst früh für einen Eintritt in die väterliche Firma entscheidet, frönen auch alle anderen Familienmitglieder diesem Hobby und tragen sich wiederholt in die Liste der Würdenträger ein. Günter selbst füllt darüber hinaus im Vorstand über viele Jahre hinweg das Amt des zweiten Vorsitzenden aus. Ein Amt, das er im Januar 1987 mehr notgedrungen als aus eigenem Antrieb niederlegen muss: Weil der bisherige erste Vorsitzende Herbert Claußen im Juni 1986 bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist, tritt er dessen Nachfolge an. Womit 1992 auch die Aufgabe verbunden ist, den Verein ins 100. Jahr seines Bestehens zu führen und entsprechend zu repräsentieren.

Der krankheitsbedingte, Anfang 1993 vollzogene Abschied von diesem Amt fällt Günter alles andere als leicht. Auch aus der Firma zieht er sich in den folgenden Jahren mehr und mehr zurück – hat aber das Glück, dass Sohn Enno seinen Platz von Anfang an voll ausfüllt. Günter stirbt am 14. Dezember 1999 im Alter von 68 Jahren. Beerdigt ist er drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.