Magdalene Hobbiebrunken – Biographie

Magdalene Henriette Hobbiebrunken – Rufname Magda – wird am 3. April 1910 als einziges Kind von Gerhard Kreye und Anna Kreye auf einem von ihren Eltern gepachteten Hof in Grummersort geboren.

Am Tag von Magdas Geburt ereignen sich im Deutschen Reich gleich zwei schwere Ballon-Unfälle. Insgesamt kommen dabei vier Menschen zu Tode. Einer von ihnen ist der Chemiker Werner Delbrück, Direktor des Seebads Heringsdorf und Mitglied des Reichstags. Der von ihm gesteuerte Ballon „Pommern“ hebt am Morgen des 3. April 1910 mit drei Mitfahrern in Stettin ab. Vor den Augen von mehreren tausend entsetzten Zuschauern gerät das Gefährt bereits kurz nach dem Start in eine heftige Windböe, die es zunächst gegen einen Telegrafendraht schleudert und danach mit dem Schornstein einer Brauerei kollidieren lässt. Der Aufprall verletzt nicht nur die Insassen, sondern macht den Ballon auch zunehmend manövrierunfähig. Er wird zum Spielball eines aufkommenden Sturmes, der ihn Richtung Ostsee treibt. Aus 50 Metern Höhe stürzt er schließlich ins offene Meer. Noch bevor Helfer sie bergen können, ertrinken Delbrück und zwei seiner Begleiter in den Fluten.

Mit dem Chemiker Richard Abegg fordert auch das zweite Unglück jenes Tages ein prominentes Opfer. Der Professor der Technischen Universität Breslau und Erste Vorsitzende des Schlesischen Vereins für Luftfahrt setzt mit seiner Ehefrau und zwei weiteren Begleitern nach einer zunächst völlig störungsfrei verlaufenen Ausfahrt in der Nähe von Köslin zur Landung an, als es plötzlich einen heftigen, vermutlich durch Abwinde verursachten Stoß gibt und bis auf Abegg alle Insassen aus der Gondel geschleudert werden. Dermaßen erleichtert, steigt die Gondel sofort wieder in luftige Höhen, stürzt dann aber unvermittelt zu Boden. Beim Aufprall zieht sich Abegg einen Schädelbruch zu, dem er noch am selben Tag erliegt.

Nur zwei Wochen später gerät in der Nähe der nordhessischen Ortschaft Reichensachsen ein knapp 200 Kilometer weiter östlich in Bitterfeld gestarteter Ballon in ein schweres Gewitter und wird dabei mutmaßlich von einem Blitz getroffen. Beim Absturz erleiden alle vier Insassen einen grausamen Tod, wie die „Saale-Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 18. April 1910 berichtet: „Zwei der Herren steckten mit dem Kopfe tief in der Erde. Alle vier hatten entsetzliche Knochenbrüche erhalten. Zum Teil stellten sie nur noch eine formlose Masse dar.“ Der Absturz müsse bei vollem Bewusstsein erfolgt sein, denn „auf jedem Antlitz malt sich noch jetzt der unbeschreibliche Ausdruck grenzenloser Todesangst“.

Wie die gesamte Luftfahrt steckt das Ballonfahren zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weitgehend in den Kinderschuhen. Der Faszination vieler Zeitgenossen tun die häufigen Unfälle aber keinen Abbruch: Wo immer sich ein Ballon oder ein Luftschiff zeigt, ist die Begeisterung groß. Berichte über ein entsprechendes Ereignis sind in Magdas ersten Lebensjahren allerdings weder für Grummersort überliefert noch für Reiherholz, wo ihre Eltern 1912 einen knapp zehn Hektar großen Hof kaufen (heute: Herbert und Bernd Horstmann).

Die vermutlich noch auf weiteren Nachwuchs hoffende junge Familie hat sich kaum am neuen Wohnort eingerichtet, da löst die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand im Sommer 1914 den Ersten Weltkrieg aus. An ihm nimmt auch Vater Gerhard Kreye teil. Er fällt bereits im Februar 1915. Knapp zwei Monate vor ihrem fünften Geburtstag wird Magda dadurch zur Halbwaise. Während der Krieg in der Folge mit unveränderter Härte weitertobt, besucht sie sehr wahrscheinlich vom Frühjahr 1916 an in Hude die damals für ganz Reiherholz zuständige Volksschule im Klosterbezirk.

Elf Monate nach dem Waffenstillstand von Compiègne, der auf deutscher Seite zur Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und zur Ausrufung der Republik geführt hat, heiratet Mutter Anna ein zweites Mal. Magdas Stiefvater Johann Gröne übernimmt auf dem ehemaligen Kreye-Hof die Rolle des Familien-Oberhaupts und bringt in die auch für ihn zweite Ehe zwei Söhne ein, Fritz und Heinrich. Mit ihnen wächst Magda in den schwierigen, vor allem durch die bis Ende 1923 anhaltende Hyperinflation geprägten Nachkriegsjahren auf.

Nach Schulabschluss und Konfirmation nimmt Magda zunächst eine Stellung in einem Haushalt in Oldenburg an. Wo und bei welcher Gelegenheit sie ihren späteren Ehemann Johann Hobbiebrunken aus Halsbek bei Westerstede (er arbeitet zu jener Zeit auf einem Hof in der Nähe von Grummersort) kennenlernt, liegt heute im Dunkeln. Der Eindruck, den die beiden jungen Leute aufeinander machen, scheint jedoch nachhaltig zu sein – sie verloben sich im September 1932 und heiraten am 11. Mai 1933. Johann siedelt daraufhin auf den Gröne-Hof nach Reiherholz über, für den Magda seit dem Tod ihres Vaters als Grunderbin vorgesehen ist.

Zwischen Magdas Verlobung und ihrer Vermählung vollzieht sich in der durch die Weltwirtschaftskrise schwer in Mitleidenschaft gezogenen Weimarer Republik eine politische Zeitenwende. Obwohl die angesichts von sechs Millionen Arbeitslosen zuvor starken Zulauf verzeichnenden Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen vom 6. November 1932 einen Rückschlag erlitten haben, ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg deren Anführer Adolf Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler. Im März 1933 stimmt dann der Reichstag auf Betreiben Hitlers dem Ermächtigungsgesetz zu und ermöglicht so den Übergang vom demokratischen Rechtsstaat zur NS-Diktatur.

Wie Magda und Johann in Reiherholz diesen Wandel konkret erleben, ist nicht überliefert. Der wirtschaftliche Aufschwung, der nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst einsetzt, nimmt ihnen aber vermutlich so manche zuvor herrschende Zukunftsangst. In den folgenden Jahren konzentrieren sie sich ganz auf den Ausbau ihres Hofes. Nach der Geburt von Tochter Änne im Januar 1937 beginnen sie mit den Arbeiten an einem neuen Wohnhaus, das im darauffolgenden Jahr bezugsfertig ist. Ferner kaufen sie rund drei Hektar Land neu hinzu.

Das Jahr 1938 bringt aus deutscher Sicht bedeutende außenpolitische Erfolge wie den Anschluss Österreichs und das die Sudetenkrise beendende Münchner Abkommen – aber auch zunehmenden innenpolitischen Terror, der in erster Linie gegen Juden gerichtet ist und sich unter anderem in der Reichspogromnacht entlädt. Die im März 1939 vollzogene Zerschlagung der Tschechoslowakei entlarvt schließlich Hitlers Lüge, es handele sich bei der im Herbst 1938 vollzogenen Angliederung der sudetendeutschen Gebiete um seine „letzte territoriale Forderung in Europa“. Im September 1939 löst dann der Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus.

Kurz nach Beginn des Frankreich-Feldzugs im Mai 1940 erhält Johann Hobbiebrunken einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht. Nach dem schnellen Ende der Kampfhandlungen wird er aber bereits zwei Monate später wieder aus dem Heer entlassen und im nunmehr besetzten Frankreich im Zollgrenzschutz eingesetzt. Sicher sehr zur Erleichterung von Magda, die mit Änne und ihren Eltern in Reiherholz die Stellung hält. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion ändert sich allerdings die Situation: Johann wird im Frühjahr 1942 an die Ostfront abkommandiert und fällt am 30. September 1942 im Laufe der Ersten Ladoga-Schlacht nahe Leningrad.

Für Magda nach dem kriegsbedingten Verlust ihres Vaters eine weitere traumatische Erfahrung, über die ihr vermutlich lediglich die Verantwortung für Tochter Änne ein Stück weit hinweghelfen kann. Denn das Leben geht weiter – mag die Trauer auch noch so groß sein und mögen die militärische Lage und damit einhergehend die Versorgung an der Heimatfront auch von Monat zu Monat hoffnungsloser werden. Im April 1945 ist dann in Magdas Heimat der Krieg zu Ende, wenige Wochen später in ganz Deutschland.

In den Dörfern der Gemeinde Hude verläuft das Leben danach wie überall im britisch, französisch und amerikanisch besetzten Teil Deutschlands recht schnell wieder in rechtsstaatlichen Strukturen. Die Folgen von Zerstörung und jahrelanger Mangelwirtschaft lassen sich jedoch nicht über Nacht beseitigen, und angesichts von Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den östlichen Provinzen des Landes ist neben der nötigen Versorgung der teilweise hungernden Bevölkerung mit Lebensmitteln die überall grassierende Wohnungsnot das größte Problem. Auf Magdas Hof finden so bis Mitte der 1950er Jahre notgedrungen gleich mehrere betroffene Familien Unterschlupf. Das sorgt zwar einerseits für chaotische Wohnverhältnisse. Auf der anderen Seite bekommt Magda dadurch aber dringend benötigte Hilfe in der Landwirtschaft, denn Mutter Anna und Stiefvater Johann sind bei Kriegsende bereits beide im rentenfähigen Alter. Eine Rente bekommt Magda als anerkannte Kriegswitwe von 1952 an ebenfalls, sie fällt jedoch wie in vielen vergleichbaren Fällen äußerst schmal aus.

Im April 1956 stirbt Johann Gröne, Anna Gröne folgt ihrem zweiten Ehemann im November 1959. Zu diesem Zeitpunkt ist Magdas Tochter Änne bereits mit Herbert Horstmann aus Bäke verlobt. Nach der am 20. Mai 1960 gefeierten Hochzeit übernehmen Änne und Herbert die Führung des Hofes. Magda bleibt jedoch auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten in die Bewirtschaftung eingebunden. Durch die Geburt von Heike (April 1961) und Bernd (Oktober 1965) zur zweifachen Großmutter geworden, verbringt sie zudem in den 60er und den frühen 70er Jahren viel Zeit mit der Betreuung der beiden Enkelkinder. Eine immer wieder gern ausgeübte gemeinsame Beschäftigung besteht etwa darin, in der freien Natur auf die Suche nach vierblättrigem Klee zu gehen.

Zu Beginn der 70er Jahre wandelt Schwiegersohn Herbert, inzwischen bei der Bahn angestellt, den Horstmann-Hof in einen Nebenerwerb um. Auch danach arbeitet Magda weiter in der Landwirtschaft mit und versorgt unter anderem regelmäßig die nach wie vor gehaltenen Schweine. Gleichwohl hat sie fortan mehr Zeit für sich. Mit der Huder Ortsgruppe des VdK – 1947 von ihr mitbegründet – fährt sie danach regelmäßig in Urlaub, meist in der Woche um Christi Himmelfahrt herum. Eine der weitesten Reisen führt sie 1983 nach Italien. Häufig mit dabei ist Beta Cordes aus Pfahlhausen, mit der sich Magda vor Ort jeweils ein Hotelzimmer teilt.

Nach einem 1987 auf der Zugfahrt zu ihrem in der Nähe von Westerstede lebenden Schwager Georg Braje erlittenen Schlaganfall erholt sich Magda zunächst wieder und feiert drei Jahre später mit der Familie, Nachbarn und anderen Verwandten und Bekannten in der Gastwirtschaft Brüers in Wüsting ihren 80. Geburtstag. Bei ihrem 85. Geburtstag im April 1995 ist sie allerdings bereits auf einen Rollstuhl angewiesen. In der Folge verschlechtert sich Magdas Gesundheit weiter, doch ein Ereignis kurz vor ihrem Tod erfreut sie noch ganz besonders – dass aus jenem Sandweg, der den Horstmann-Hof mit der Linteler Straße verbindet, 1997 nach mehreren gescheiterten Anläufen endlich eine geteerte Straße wird.

Magda stirbt am 30. Mai 1998. Beerdigt ist sie fünf Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche.