Anna van der Ploeg – Biographie

Anna Geraldine van der Ploeg – Rufname Anni – wird am 8. März 1921 als drittes Kind von Johann Möhlenbrock und Amalie Möhlenbrock auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Martin und Ralf Möhlenbrock) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Karl Möhlenbrock und Alma Möhlenbrock und die ältere Schwester von Hans Möhlenbrock.

In der Nacht vor Annis Geburt besetzen zuvor am linken Rheinufer stationierte alliierte Truppen die auf der anderen Seite des Flusses liegenden Großstädte Düsseldorf und Duisburg. Dabei handelt es sich um eine Reaktion auf die gescheiterte Konferenz von London, auf der es zu keiner Einigung über die Höhe der von Deutschland nach Ende des Ersten Weltkriegs zu zahlenden Reparationen gekommen war. Die Siegermächte fordern 226 Milliarden Goldmark, zahlbar in 42 Jahresraten – zuzüglich 12 Prozent des Wertes der deutschen Exporte in diesem Zeitraum. Eine Summe, die in Deutschland auf Entsetzen und breite Ablehnung stößt. Außenminister Walter Simons hatte in London eine Obergrenze von 50 Milliarden Goldmark angeboten und damit auf der Gegenseite insbesondere die Vertreter Frankreichs gegen sich aufgebracht.

Frankreich und Belgien, die während des Krieges die größten Schäden in ihrer Infrastruktur erlitten haben, geht es mit der Besetzung außer um eine Macht-Demonstration vor allem um die Kontrolle des Duisburger Hafens, dem zentralen Umschlagplatz für Kohle und Stahl aus dem Ruhrgebiet. Die beiden Städte sollen zudem als Brückenkopf für eine Besetzung des gesamten Ruhrgebiets dienen, falls sich die deutsche Reichsregierung unter Kanzler Constantin Fehrenbach nicht gefügig zeigt. Die wiederum ist sich über das weitere Vorgehen nicht einig und droht auseinanderzubrechen, nachdem ihr am 15. März 1921 beim Völkerbund gegen die Besetzung eingelegter Protest erfolglos bleibt.

Eine Situation, die linksgerichtete Republik-Feinde auszunutzen versuchen. Am 21. März ruft die KPD zu einem Generalstreik in der Industrieregion von Halle und Leuna sowie in Hamburg auf – mit dem Ziel, die Regierung notfalls auch mit Waffengewalt zu stürzen und ein Herrschaftssystem nach russischem Vorbild zu errichten. In der Provinz Sachsen, über die Reichspräsident Friedrich Ebert am 24. März den Ausnahmezustand verhängt, tut sich dabei insbesondere der Anarchist Max Hoelz hervor, unter dessen Führung mehr als 1.000 Arbeiter das Chemiewerk Leuna besetzen. Ähnlich wie schon ein Jahr zuvor beim von nationalistischen Kräften verübten Kapp-Putsch verfügen die Aufständischen jedoch nur über wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Nach der Erstürmung des Leuna-Werksgeländes durch Regierungstruppen bricht der Umsturzversuch deshalb schnell in sich zusammen. Insgesamt kommen bei den von beiden Seiten mit großer Härte geführten Kämpfen rund 180 Menschen ums Leben.

Eine chaotische Zeit also, in die Anni hineingeboren wird. Zwar besteht im Freistaat Oldenburg, zu dem ihr Heimatort gehört, im Frühjahr 1921 zu keinem Zeitpunkt die Gefahr eines kommunistischen Aufstands. Auch in Lintel leiden die Menschen jedoch unter der sich rapide verschlechternden Wirtschaftslage, die zwei Jahre später in einer Hyperinflation gipfelt. Kaum hat sich die Lage nach Einführung der Rentenmark wieder einigermaßen normalisiert, stirbt im April 1927 Annis Schwester Alma im Alter von nur zehn Jahren an Wundstarrkrampf. Die näheren Umstände, die zu diesem Unglücksfall führen, sind heute in der Familie nicht mehr bekannt.

Beim Tod der Schwester steht Anni kurz vor der Einschulung in die dorfeigene Volksschule, wo unter anderem Arthur Ehlers, August Frers, Anneliese Schmidt und Johann Wachtendorf zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülern gehören. Der Geburt des jüngeren Bruders Hans im März 1933 – sechs Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten – folgt für die Familie im September 1936 mit dem Tod des älteren Bruders Karl ein weiterer Schicksalsschlag.

Nach Schulabschluss und Konfirmation verlässt Anni den elterlichen Hof und nimmt Erzählungen aus der Familie zufolge in der Nähe von Syke eine Anstellung als Dienstmagd an. Mit Agnes und Robert Havekost lernt sie in jenen Jahren ein Paar kennen, das aus der Nähe von Rastede stammt. Dass sie entweder mit Agnes oder Robert oder vielleicht sogar mit beiden auf ein und demselben Hof arbeitet, ist deshalb naheliegend.

Bei einer dritten Person besteht hingegen Gewissheit über ein gemeinsames Arbeitsverhältnis: Feike van der Ploeg. Mit dem fünf Jahre älteren, aus der Nähe von Groningen stammenden Niederländer verbindet Anni schon bald mehr als nur das – er wird ihr ständiger Begleiter, mit dem sie Anfang 1939 Elternfreuden entgegensieht. Bevor im Juli jenes Jahres Sohn Harry zur Welt kommt, geben Anni und Feike sich am 26. Mai in Hude noch schnell das Ja-Wort. Eine andere zukunftsweisende Entscheidung ist da nach Gesprächen mit Annis Eltern bereits gefallen: Sie und Feike werden den rund sieben Hektar großen Möhlenbrock-Hof so lange pachten und bewirtschaften, bis Bruder Hans alt genug für eine Übernahme ist.

Mag sich im Leben zweier junger Menschen auch vieles planen lassen: Ob in der Welt um sie herum Frieden herrscht oder nicht, darauf haben sie in aller Regel nicht den geringsten Einfluss. So ist es auch bei Anni und Feike, die sich den am 1. September 1939 durch den deutschen Überfall auf Polen ausgelösten Zweiten Weltkrieg ganz sicher nicht herbeigesehnt haben. Immerhin, als niederländischer Staatsbürger bleibt Feike anders als viele andere Dorfbewohner von einer Einberufung zur Wehrmacht verschont und bekommt angesichts des akuten Personalmangels von der Molkerei in Wüsting schon bald die Position eines Milchfuhrmanns angeboten. Anni macht derweil neben der täglichen Hofarbeit ihren Bus-Führerschein und bringt mit Hanna (Januar 1941), Helmut (Mai 1942) und Gert (April 1944) drei weitere Kinder zur Welt.

Wenige Monate nach Gerts Geburt erschüttert ein weiteres außerplanmäßiges Ereignis Annis Familie – schweißt sie aber möglicherweise noch enger zusammen als ohnehin schon: Eines Nachts im Herbst 1944 entzündet sich auf dem Möhlenbrock-Hof frisch geernteter Torf, Wohnhaus und Stallungen gehen in Flammen auf. Nach einer vorübergehenden Einquartierung auf dem Hof ihres Nachbarn Gustav Claußen (heute: Kristin und Heiko Segelken) erlebt Anni deshalb das Kriegsende im Frühjahr 1945 in einer ausrangierten Wehrmachts-Baracke. Ein Status, der bis Anfang der 1950er Jahre anhält.

Trotz der damit verbundenen Widrigkeiten schaffen Anni und Feike es, ihren neben der Milchwirtschaft vor allem auf die Schweinzucht setzenden Betrieb stetig zu vergrößern. Sicher zur Freude von Annis Eltern, die allerdings nur die Anfänge miterleben: Johann Möhlenbrock stirbt im März 1952 an Leukämie, Amalie Möhlenbrock knapp vier Wochen später an Herzasthma. Als dann im April 1956 Bruder Hans Marta Gräfje aus Reiherholz heiratet und sein Erbe antritt, schlägt für Anni, Feike und ihre vier Kinder die Stunde des Abschieds aus Lintel. Neuer Lebensmittelpunkt der Familie wird das nördlich von Groningen gelegene Dorf Klein Garnwerd, rund 30 Kilometer entfernt von Feikes Geburtsort Noordwijk. Dort übernimmt Feike auf einem rund 60 Hektar großen Betrieb mit 40 Milchkühen die Position des Betriebsleiters.

Mögen viele Niederländer in den 1950er und 1960er Jahren aufgrund ihrer Kriegserfahrungen auch gegen alles Deutsche eine Abneigung haben, so gelingt es Anni doch recht schnell, sich zu akklimatisieren. Spätestens nach dem Kauf eines eigenen Hauses im benachbarten Eenrum ist eine Rückkehr nach Deutschland kein Thema mehr für sie – auch nicht, als Feike im August 1977 im Alter von nur 61 Jahren einem Herzinfarkt erliegt. Anni bleibt danach im ursprünglich als gemeinsamem Altersruhesitz vorgesehenen Haus wohnen und ist in Eenrum unter anderem auch durch die ehrenamtliche Mitarbeit in mehreren Vereinen voll integriert. Daneben halten sie elf Enkelkinder (drei Mädchen, acht Jungen) immer in Bewegung.

Anni stirbt am 31. März 1988 an Herzversagen. Nach der Trauerfeier verbleiben ihre eingeäscherten Überreste im Krematorium in Groningen.