Anna Willers – Biographie

Anna Margarete Bernhardine Willers wird am 23. Dezember 1872 als fünftes Kind von Johann Diedrich Bührmann und Anna Bührmann in Hurrel geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Catharine Marie Jedebrock, Johann Diedrich Bührmann Junior, Johann Hinrich Bührmann und Pauline Marie Kahlen und die ältere Schwester von Johann Friedrich Bührmann, Sophie Gesine Bührmann, Meta Elise Bührmann, Anna Gesine Barkemeyer und Bertha Mathilde Bührmann.

Eine Woche vor Annas Geburt beginnt in der britischen Kronkolonie Gibraltar ein Gerichtsverfahren, das Licht in das Geheimnis um den am 4. Dezember 1872 vor den Azoren auf hoher See aufgefundenen US-Frachter „Mary Celeste“ bringen soll. Die Umstände sind in der Tat mysteriös: Das Segelschiff ist äußerlich vollkommen intakt, unter Deck herrscht jedoch ein heilloses Durcheinander. Alles ist durchnässt, in der Kombüse ist der Ofen aus seiner Verankerung gerissen und alle Küchen-Utensilien liegen verstreut herum. Von Kapitän Benjamin Briggs, seiner siebenköpfigen Crew und den beiden Passagieren – Briggs Ehefrau Sarah und die zweijährige Tochter Sophia – fehlt jede Spur. Allem Anschein nach haben sie das Schiff mit einem Rettungsboot verlassen. Die Ladung wiederum steht unberührt an Ort und Stelle: insgesamt 1.701 Fässer mit Ethanol, die Briggs von New York nach Genua transportieren sollte.

Generalstaatsanwalt Frederick Solly-Flood versteigt sich anfangs in den wildesten Theorien: Eine davon lautet, dass die vier deutschstämmigen Matrosen ihre drei Vorgesetzten, den Koch und die Passagiere ermordet haben, um sich die Ladung anzueignen – ein Komplott, in das angeblich auch Mitglieder jenes Schiffes verwickelt sein sollen, das den Frachter entdeckt und nach Gibraltar gebracht hat. Beweise für einen solchen Zusammenhang gibt es freilich keine, und am Ende bleibt die Angelegenheit ein großes Rätsel. Das wiederum macht die „Mary Celeste“ zu einem der berühmtesten Geisterschiffe in der Geschichte der Seefahrt, um das sich bald die seltsamsten Mythen ranken: Mal hat ein Riesenkrake die Besatzung auf dem Gewissen, mal ist sie einem Seebeben zum Opfer gefallen oder sie wurde – so der wohl aberwitzigste Erklärungsversuch – von Außerirdischen entführt.

Klarheit herrscht bis heute nicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sich aber Folgendes abgespielt: Einige der Ethanol-Fässer sind während der Überfahrt ausgelaufen, dadurch bildete sich im Frachtraum ein explosives Gasgemisch. Dieses ist bis in die Kombüse gewabert und dort beim Anzünden des Ofens verpufft. Aus Furcht vor weiteren Explosionen flüchtete sich die Besatzung daraufhin in ein Rettungsboot, das über ein Seil mit dem Schiff befestigt war. Dieses Seil ist irgendwann gerissen und hat dadurch die Insassen des Bootes in den Weiten des Atlantiks ihrem traurigen Schicksal überlassen. Wie auch immer: Die „Mary Celeste“ dient nach ihrer Freigabe weiter als Frachtschiff, wird mehrmals verkauft und schließlich Anfang Januar 1884 von ihrem letzten Besitzer vor Haiti absichtlich auf ein Riff gesetzt, um für die weitgehend wertlose Ladung eine überhöhte Versicherungsprämie zu kassieren.

Zu diesem Zeitpunkt besucht Anna bereits seit mehreren Jahren die Volksschule in Lintel. Dort gehören unter anderem Johann Abel, Diedrich AlbersGerhard Friedrich Heinemann, Johann Friedrich Wachtendorf, Gesine Wefer und Anna Wilkens zu den in etwa gleichalten Mitschülern. In Lintel wohnt ihre Familie inzwischen auch, bereits der nächstjüngere Bruder Johann Friedrich ist dort im November 1874 geboren. Er stirbt jedoch wie die 1877 und 1879 geborenen Schwestern Sophie Gesine und Meta Elise noch im Kleinkindalter, so dass Anna statt mit neun nur mit sechs Geschwistern aufwächst.

Annas Vater stammt aus Dötlingen, ihre Mutter aus Großenkneten. Beide verfügen weder in Hurrel noch in Lintel über eigenen Grund und Boden und leben vermutlich als Heuerleute auf dem Besitz eines der größeren örtlichen Bauern. Nach Hurrel gezogen sind sie erst kurz vor Annas Geburt, die älteren Geschwister sind in Dötlingen, Amelhausen und Altmoorhausen zur Welt gekommen.

Wohin es Anna nach Schulabschluss und Konfirmation verschlägt, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Vielleicht arbeitet sie in Hurrel oder Lintel in der Landwirtschaft, vielleicht aber auch als Dienstmädchen in einem Haushalt in Hude oder sogar in Oldenburg. Auf jeden Fall nimmt Annas Leben im Sommer 1893 eine ungeplante Wendung: Sie wird schwanger und kehrt daraufhin wohl wieder zu ihren mittlerweile erneut in Hurrel gemeldeten Eltern zurück. Dort jedenfalls tut am 19. April 1894 Tochter Alma den ersten Schrei.

„Unehelich geboren“ – ein damals von der Gesellschaft und meist auch von den Betroffenen selbst als Makel empfundener Standesamts-Eintrag, der aber im Deutschen Reich am Ende des 19. Jahrhunderts gar nicht so selten anzutreffen ist. Konkret: Amtlichen Statistiken zufolge kommt 1894 zwischen Straßburg und Königsberg jedes elfte Kind unehelich zur Welt. Bei rund 1,8 Millionen Lebendgeborenen mag sich jeder selbst ausrechnen, wie viele Kinder das in absoluten Zahlen in etwa sind. Längst nicht alle von ihnen wachsen übrigens ohne Vater auf: Oftmals stellt sich der leibliche Erzeuger noch nachträglich seiner Verantwortung, oder der neue Partner der Mutter tritt an dessen Stelle.

So ist es auch in diesem Fall. Am 11. November 1898 heiratet Anna Johann Heinrich Willers aus Oldenburg. Aus der in Ganderkesee geschlossenen Ehe gehen mit Dora (Februar 1899), Bernhard (September 1900) und Anni Johanne (Juni 1903) drei weitere Kinder hervor, deren Wiege ebenfalls in Hurrel steht. Sehr wahrscheinlich wohnt die Familie in jenen Jahren weiter bei Annas Eltern. Ehemann Johann Heinrich wird in amtlichen Quellen jener Jahre mal als Heuermann, mal als Ziegeleiarbeiter geführt.

Im Mai 1904 muss Anna ihren Vater beerdigen lassen, woraufhin die Familie Hurrel allem Anschein nach verlässt und Richtung Hude zieht. Knapp zwei Jahre später stirbt im Krankenhaus von Berne (heute: Kückens Altenpflegeheim) die jüngste Tochter Anni Johanne. Was genau ihre Einlieferung nötig gemacht hat, ist nicht überliefert, die Trauer über den Verlust dürfte jedoch groß sein. Immerhin, Annas anderen Kinder erreichen das Erwachsenenalter, und sollte Sohn Bernhard in den letzten Monaten des seit August 1914 tobenden Ersten Weltkriegs noch zur kaiserlichen Armee eingezogen werden, so kehrt er nach der deutschen Niederlage im November 1918 rasch und vor allem unversehrt zurück.

Das nächste Jahrzehnt beginnt für Anna mit dem Tod ihrer Mutter, die am 9. Februar 1920 in Vielstedt kurz nach dem 78. Geburtstag stirbt. Ob Anna und Johann Heinrich damals ebenfalls in Vielstedt leben, ist in der Familie nicht mehr bekannt. Die beiden Töchter jedenfalls haben den elterlichen Haushalt bereits vor oder während des Krieges verlassen: Alma arbeitet in Hurrel auf dem Hof von Georg Barkemeyer (heute: Irmgard und Gerold Wachtendorf) und Dora in Huntlosen, wo sie im November 1919 Hermann Witte heiratet. Alma wiederum ist bereits seit 1916 oder 1917 mit Hermann Schwarting aus Hude verheiratet, ihr im Juli 1917 geborener Sohn Heinrich ist Annas erstes Enkelkind.

Auch für die nächsten anderthalb Jahrzehnte lässt sich mangels mündlicher Überlieferung wenig mehr über Annas Leben berichten als die Geburt weiterer Enkel. In chronologischer Reihenfolge sind dies Doras Sohn Heinrich (April 1920). Almas zweiter Sohn Martin (Dezember 1920) sowie Doras nachfolgende Kinder Anneliese (Januar 1921), Hermann Johann (Juli 1922), Heinz (Juni 1924), Walter (Januar 1926), Erich (Dezember 1927) und Waltraud (September 1931). Hinzu kommen Bernhards Kinder Bernhard Junior, Käthe und Lore, deren genaues Geburtsdatum aber nicht bekannt ist. Bis auf Heinrich und Anneliese erreichen alle Enkelkinder das Erwachsenenalter. Hermann Johann, Heinz und Bernhard Junior fallen allerdings später dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Bereits drei Jahre vor dessen Ausbruch, im August 1936, stirbt Annas Ehemann Johann Heinrich im Alter von 72 Jahren.

Als Witwe wohnt Anna weiter in Hude – möglicherweise im Haushalt von Tochter Alma und Schwiegersohn Hermann Schwarting. Letzterer stirbt im März 1951 an den Spätfolgen seines Kriegseinsatzes. Neben ihrem bereits kurz nach Kriegsende verstorbenen Sohn Bernhard überlebt Anna auch Tochter Alma, die im August 1956 einer schweren Krankheit erliegt. Anna selbst stirbt am 27. Januar 1957 und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.