Diedrich Hoffrogge – Biographie

Johann Diedrich Hoffrogge – Rufname Diedrich – wird am 4. April 1881 als drittes Kind von Heinrich Hoffrogge und Meta Catharine Hoffrogge auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Hella und Kurt Bisanz) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Johanne Elise Hoffrogge und der ältere Bruder von Annchen Gode, Gesine Garms, Mathilde Kirchhoff, Georg Hoffrogge, Bertha Schmidt, Gerhard Heinrich Hoffrogge und Luise Schmidt. Zwei weitere Geschwisterkinder sind 1880 beziehungsweise 1890 noch am Tag ihrer Geburt verstorben und deshalb namenlos geblieben.

Das Jahr 1881 markiert im Deutschen Reich den Beginn öffentlicher Telefonnetze. Den Anfang macht am 12. Januar – wie könnte es anders sein – die Reichshauptstadt Berlin. Am selben Tag lässt Generalpostmeister Heinrich von Stephan die erste öffentliche, auf den Namen „Fernsprech-Kiosk“ getaufte Telefonzelle aufstellen. Nachdem Deutschland die unter anderem vom hessischen Physiker Philipp Reis vorangetriebene Erfindung des Telefons nahezu komplett verschlafen hat, verläuft zunächst auch die weitere Entwicklung eher schleppend: Zu Anfang sind in Berlin gerade einmal acht Teilnehmer ans Netz angeschlossen. In den drei Monaten bis zu Diedrichs Geburt kommen trotz massiver Werbung lediglich 42 weitere Anschlüsse hinzu – allein neun davon an der Berliner Börse.

Weitere Teilnehmer sind neben Banken und börsennotierten Unternehmen wie die Berliner Pferdeeisenbahn unter anderem Verlagshäuser wie das Berliner Tageblatt oder die Vossische Zeitung, die das neue Kommunikationsmittel auf Anhieb zu schätzen wissen. Private Nutzer wie der Bankier Gerson von Bleichröder oder der spätere AEG-Gründer Emil Rathenau stellen eine verschwindend kleine Minderheit, was sich auch in den folgenden Monaten nicht ändert. Angesichts der mit einem Anschluss verbundenen Kosten nicht unbedingt verwunderlich: Je nach Entfernung vom Vermittlungsamt werden pro Jahr mindestens 200 Mark fällig. Das entspricht zur damaligen Zeit zwischen 15 und 20 Wochenlöhnen eines Arbeiters. Trotzdem zeigt der Trend bald steil nach oben. Verzeichnet das erste, am 14. Juni 1881 herausgegebene und für die Nachwelt nicht erhalten gebliebene Berliner Telefonbuch je nach Quelle zwischen 99 und 160 Einträge, so sind es am Jahresende schon 458. Ende 1885 gibt es dann im Stadtgebiet insgesamt 4.300 Anschlüsse.

In anderen Metropolen wie Breslau, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Mannheim und München sowie im früh Telefon-begeisterten Elsass verläuft die Entwicklung nach verhaltenem Start ähnlich stürmisch. Im Oktober 1882 erhält auch die von Lintel rund 30 Kilometer entfernte Großstadt Bremen ihr eigenes Netz mit zunächst 103 Anschlüssen. Die am 15. Oktober 1883 zwischen Bremen und Bremerhaven in Betrieb genommene Fernleitung ist zudem für kurze Zeit die längste Telefonverbindung Deutschlands.

Wann Diedrich zum ersten Mal einen der neuartigen Apparate oder gar eine Telefonzelle zu Gesicht bekommt, ist nicht überliefert. Mit ziemlicher Sicherheit nicht während seiner Schulzeit, die er mit Mitschülern wie Hinrich August Haverkamp, Hinrich Heyne, Heinrich Rüdebusch, Hinrich Wilkens und Heinz Witte noch in der alten, gemeinsam mit dem Nachbardorf Hurrel betriebenen Volksschule (heute: Gerold und Anke Schröder) verbringt. Möglicherweise aber während des Militärdienstes, den Diedrich zwischen 1901 und 1903 beim Hannoverschen Jäger-Bataillon Nr. 10 ableistet. Was etwas ungewöhnlich ist – dienen die meisten Wehrpflichtigen aus den umliegenden Dörfern doch eher in heimatnahen Einheiten wie dem Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 oder bei den gleichfalls in der Landeshauptstadt Oldenburg stationierten Dragonern.

Den Großteil seines Dienstes verbringt Diedrich eigenen Erzählungen zufolge auf der Zitadelle von Bitsch. Die lothringische Festung aus dem 12. Jahrhundert gehört seit 1871 zum Reichsland Elsass-Lothringen und damit zu Deutschland. Die Hannoverschen Jäger beziehen dort 1901 eine neu erbaute Kaserne nebst Truppenübungsplatz. Ob Diedrich noch vor Ort ist, als am 14. Mai 1903 Kaiser Wilhelm II. der Garnison einen Besuch abstattet und mit großem Brimborium eine Parade abnimmt, lässt sich allerdings nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.

Dasselbe gilt für Diedrichs Pläne und Ziele, als er in die Heimat zurückkehrt. Von den zehn Geschwistern leben zu diesem Zeitpunkt noch sechs – neben den zwei wie eingangs erwähnt bereits am Tag ihrer Geburt verstorbenen Kindern sind auch die ältere Schwester Anna Johanne Elise und der jüngste Bruder Gerhard Heinrich nicht über das Säuglingsalter hinausgekommen. Hoffnung auf eine spätere Übernahme des elterlichen Hofes darf sich jedoch gemäß des in der Gemeinde Hude geltenden Jüngstenrechts am ehesten der verbliebene Bruder Georg machen. Möglicherweise hilft Diedrich zunächst trotzdem weiter bei der Bewirtschaftung.

Davon losgelöst gilt Diedrich aber wahrscheinlich schon 1903 als potenzieller Erbe eines anderen, damals noch von seiner unverheirateten Großtante Ahlke Margarete Barkemeyer geführten Linteler Hofes (heute: Gerrit und Linda Schlötelburg). Deren ursprünglich erbberechtigter Bruder Johann Bernhard Barkemeyer ist 1901 ohne Nachkommen verstorben, und die Vermutung liegt nahe, dass Diedrich auf dem Barkemeyer-Hof auch relativ rasch seinen Wohnsitz nimmt: Tatkräftige Unterstützung kann die beim Tod des Bruders 62 Jahre alte Verwandte gewiss gebrauchen.

Seine künftige Ehefrau Anna Gode aus Altmoorhausen lernt Diedrich allem Anschein nach schon vor seiner Rückkehr aus Lothringen kennen. Andernfalls wären beide wohl nicht so rasch vor dem Traualtar gelandet. Sein Jawort gibt sich das junge Paar am 26. April 1904. Es hätte durchaus eine Doppelhochzeit werden können, denn Diedrichs Schwester Annchen ist zur gleichen Zeit mit Annas Bruder Johann Hinrich liiert. Bis April 1904 kann das zweite, im August 1903 vermählte Paar jedoch nicht warten, denn schon im Dezember 1903 bringt Annchen in Altmoorhausen Tochter Klara zur Welt.

Diedrich wird im März 1905 zum ersten Mal Vater. Dem in jenem Monat geborenen Sohn Heinrich Georg folgen mit Alma (Juni 1906), Mathilde (Januar 1908) und Hans (März 1909) rasch drei weitere Kinder. Im Juli 1908 stirbt Ahlke Margarete Barkemeyer nach einem Schlaganfall. Danach erbt zunächst Diedrichs Vater Heinrich den Hof, schon 1910 ist jedoch Diedrich als Eigentümer genannt. Im selben Jahr verkaufen Diedrichs Eltern ihren eigenen Hof an Johann Kreye und übernehmen mit Bruder Georg einen bessere Entwicklungsmöglichkeiten bietenden Betrieb am Lindhorn (heute: Herwig und Jens Pape).

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 wirft zunächst alle weiteren Planungen Diedrichs für eine Ausweitung der Landwirtschaft über den Haufen. Als Reservist wird er eigenen Angaben zufolge unmittelbar nach Beginn der Kampfhandlungen eingezogen und später einer Gebirgstruppe zugewiesen. Das spricht für einen erneuten Einsatz bei den Hannoverschen Jägern, die nach dem im Mai 1915 erfolgten Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Entente das Deutsche Alpen-Korps mit Soldaten versorgen. Nähere Details dazu sind allerdings nicht bekannt. Auf jeden Fall hat Diedrich mehr Glück als Schwager Johann Hinrich Gode – er fällt im August 1916 in Litauen – und Bruder Georg, der im Oktober 1916 in der Ukraine sein Leben verliert.

Nach dem im November 1918 für verloren erklärten Krieg siedelt Diedrich mit Anna und den Kindern auf den ursprünglich Georg Hoffrogge zugedachten Hof am Lindhorn über, um seine Eltern zu unterstützen. Den eigenen, deutlich kleineren Hof an der Linteler Straße verpachtet er derweil an Heinrich und Gesine Nehls aus Habbrügge. Mitten in die anziehende Inflation hinein sucht dann die Familie ein weiteres Unglück heim: Im Juni 1921 stirbt im Alter von 16 Jahren Diedrichs und Annas ältester Sohn Heinrich Georg.

Ist Diedrichs zunehmendes Engagement für den nach dem Weltkrieg nur mühsam wieder zum Leben erweckten Schützenverein Lintel eine Ablenkung gegen den Schmerz? Ausschließen lässt sich das nicht. In jedem Fall gehört Diedrich zu den treibenden Kräften, als es darum geht, den Bau eines schon 1914 geplanten Schießstandes endlich in die Tat umzusetzen. Am Ende sind es sogar zwei Stände, die der Verein 1924 zum traditionell am Himmelfahrtstag gefeierten Schützenfest einweihen kann. Im Jahr darauf übernimmt Diedrich das Amt des Vorsitzenden, das er bis 1930 innehat.

Die im Herbst 1929 in den USA begonnene Weltwirtschaftskrise greift bald auch auf Deutschland über und treibt den bis dahin in den Parlamenten nur als kleine Splittergruppe vertretenen Nationalsozialisten massenhaft Wähler zu. Eine Gefahr, die bis in die höchste Staatsspitze hinein lange verkannt wird. Der Plan des ehemaligen Reichskanzlers Franz von Papen, NSDAP-Führer Adolf Hitler durch eine Teilhabe an der Macht so in die Ecke zu drücken, „dass er quietscht“, schlägt jedenfalls gründlich fehl: Im Januar 1933 erst einmal selbst zum Kanzler ernannt, nutzt Hitler die ihm überlassenen Spielräume so geschickt aus, dass die taumelnde Weimarer Republik schon zwei Monate später im diktatorischen NS-Staat aufgeht.

Begrüßt Diedrich diese Entwicklung? Darauf lässt sich 90 Jahre später mangels schriftlicher Dokumente oder mündlicher Zeitzeugen-Berichte keine eindeutige Antwort geben. Allein die Tatsache, dass er im Rahmen der Gleichschaltung aller ehemals demokratisch legitimierten Organisationen im Staate alsbald zum Ortsbauernführer für Lintel ernannt wird, berechtigt noch nicht zu einem „Ja“ als Antwort – um diese Funktion auszufüllen, braucht es damals weder eine Mitgliedschaft in der Partei noch besondere Verdienste für die „Bewegung“. Sondern in erster Linie das Vertrauen der Dorfbewohner, das Diedrich durch sein jahrelanges ehrenamtliches Engagement zweifellos genießt.

Wohin Hitler und die ihm treu ergebenen Parteigenossen Deutschland führen, ist hinlänglich bekannt. Die Folgen ihrer verbrecherischen, direkt in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mündenden Politik lassen auch Diedrichs Familie nicht ungeschoren. So kehrt zwar der als Hofnachfolger gesetzte Sohn Hans 1945 unversehrt nach Lintel zurück – nicht jedoch Johann Schlötelburg, der Ehemann seiner Tochter Mathilde.

Bei Kriegsende im Mai 1945 ist Diedrich 64 Jahre alt. Beim Wiederaufbau nach der Stunde Null spielt er deshalb keine führende Rolle mehr – auch nicht im Schützenverein, der 1950 den Betrieb wieder aufnimmt. An den Schießabenden nimmt Diedrich dennoch bis ins hohe Alter teil, auf Schützenfesten feiert er gern und ausdauernd mit. Was seine Arbeit auf dem mittlerweile von Sohn Hans und Schwiegertochter Käte geführten Hof aber keineswegs beeinträchtigt. Sie gibt Diedrich insbesondere in den Jahren nach dem frühen Tod von Ehefrau Anna im März 1953 Halt. Dabei bevorzugt er traditionelle bäuerliche Tätigkeiten, etwa das Pflügen mit dem Pferd oder das Mähen mit der Sense.

Die 60er Jahre geht Diedrich einem Jubiläums-Artikel der Nordwest-Zeitung zufolge in „beneidenswerter geistiger und körperlicher Frische“ an. Noch vor seinem derart gewürdigten 80. Geburtstag am 4. April 1961 gibt es im Frühjahr 1960 mit den Hochzeiten seiner Enkelinnen Edith und Christa zwei weitere freudige Ereignisse zu feiern. Auch den 85. Geburtstag im April 1966 begeht Diedrich bei guter Gesundheit, ehe seine Kräfte allmählich nachlassen. Er stirbt am 25. November 1972 und wird fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.