Georg Haverkamp – Biographie

Karl Georg Haverkamp – Rufname Georg – wird am 11. November 1868 als fünftes Kind von Heinrich Haverkamp und Marie Gesine Haverkamp auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Ralf und Jannik Haverkamp) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Johanne Catharine Wefer, August Haverkamp, Rebecca Gesine Mathilde Haverkamp und Heinrich Haverkamp. Daneben hat er mit Carl Heinrich Tönjes und Gustav Heinrich Tönjes noch zwei jüngere Halbbrüder aus der zweiten Ehe seiner Mutter mit Johann Heinrich Tönjes.

Fünf Tage vor Georgs Geburt schließt die Regierung der USA mit mehreren Stämmen der Sioux-Indianer den nach seinem Unterzeichnungsort benannten Vertrag von Fort Laramie. Darin erklärt sie ein weite Teile South Dakotas, Nebraskas und Wyomings umfassendes, rund 240.000 Quadratkilometer großes Territorium zum Eigentum der Stämme, das ohne deren Erlaubnis kein Weißer besiedeln oder durchqueren darf. Darin enthalten sind auch die Black Hills, ein den Sioux heiliger Gebirgszug im Vorland der Rocky Mountains.

Es ist eines der wenigen Male in der Geschichte der Indianerkriege, dass ein Volk der amerikanischen Ureinwohner auf diplomatischem Wege einen derart weitreichenden Erfolg erringt. Möglich gemacht hat ihn Oglala-Häuptling Red Cloud, der die Gegenseite zuvor mit einem zwei Jahre dauernden Guerilla-Krieg zurück an den Verhandlungstisch zwingt. Denn eigentlich hätte der Vertrag – zu für die Indianer deutlich ungünstigeren Bedingungen – schon 1866 geschlossen werden sollen.

Damals, nach Ende des Sezessionskriegs, überqueren immer mehr Siedler den Mississippi und strömen Richtung Westküste sowie über den Bozeman Trail nach Montana, wo 1862 erstmals Gold entdeckt wird. Um den Trail zu schützen, richtet die U.S. Army im Vorfeld von Gebiets-Verhandlungen Forts ein, was Red Cloud kategorisch ablehnt. Indem er die Militärsiedlungen von jedwedem Nachschub abschneidet und zudem systematisch Reisende überfallen lässt, kommt der Überland-Verkehr zeitweise völlig zum Erliegen. Daraufhin zeigt sich die Regierung kompromissbereit und stimmt im ersten Schritt einer Aufgabe der umstrittenen Forts und im nächsten dem weitreichenden Gebietsschutz zu.

Letztlich ist der Vertrag von Laramie jedoch nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben steht. Denn er enthält einige schriftlich formulierte Klauseln, über die die des Lesens unkundigen Sioux späteren Angaben Red Clouds zufolge nicht informiert wurden und die sie bei entsprechender Kenntnis nie unterschrieben hätten. Hinzu kommt, dass einige bedeutende Häuptlinge wie Sitting Bull oder Crazy Horse ihre Unterschrift von vornherein verweigern, weil sie den Weißen misstrauen. Zu Recht, wie sich nur wenige Jahre später zeigt: Kaum wird 1874 in den Black Hills Gold gefunden, rückt die US-Regierung von ihren Versprechungen ab. Die Kämpfe flammen wieder auf, und trotz einiger spektakulärer Siege wie in der Schlacht am Little Bighorn stehen die Sioux in ihrem Freiheitskampf am Ende auf verlorenem Posten.

Als am 25. und 26. Juni 1876 die vereinten Streitkräfte der Sioux, Cheyenne und Arapaho am Little Bighorn das 7. US-Kavallerie-Regiment unter George Armstrong Custer vernichtend schlagen, ist Custers Namensvetter Georg in Lintel bereits seit sieben Jahren Halbwaise. Vater Heinrich ist im April 1869 im Alter von nur 35 Jahren gestorben. Als Todesursache nennt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude „Brustkrankheit“, zur damaligen Zeit ein Synonym für Tuberkulose. Mutter Marie Gesine wiederum hat im Dezember 1873 Johann Heinrich Tönjes aus Hurrel geheiratet und im November 1875 Georgs Halbbruder Carl Heinrich zur Welt gebracht. Von ihm muss sich die Familie allerdings schon im August 1876 wieder verabschieden – laut Kirchenbuch-Eintrag aufgrund nicht näher bezeichneter „Krämpfe“. Ob es sich dabei um einen Fieberkrampf handelt oder um eine Art plötzlicher Kindstod, darüber lässt sich fast 150 Jahre später nur spekulieren.

Mit Gustav Heinrich Tönjes wird im April 1878 der zweite Halbbruder geboren. Auf Georgs künftigen Lebensweg hat dies jedoch ebenfalls keinerlei Einfluss. Denn für eine Übernahme des 1489 erstmals erwähnten und sich seither ununterbrochen in Familienbesitz befindenden Haverkamp-Hofes kommen ausschließlich die in erster Ehe geborenen Söhne in Frage. Und da Heinrich Haverkamp bei seinem Tod kein anderslautendes Testament hinterlassen hat, ziert Georgs Name gemäß Jüngstenrecht bereits seit 1869 das Grundbuch. Davon abgesehen ist auch Gustav Heinrich Tönjes kein langes Leben beschert: Er stirbt im Januar 1882 an Diphtherie.

Zu diesem Zeitpunkt steht Georg bereits kurz vor dem Abschluss der Linteler Volksschule, in der damals auch die Kinder des Nachbardorfes Hurrel unterrichtet werden. In etwa gleichaltrige Mitschüler neben seinem nur knapp zwei Jahre älteren Bruder Heinrich sind unter anderem Carl Ahlers, Heinrich Brockshus, Johann Galdas, Bernhard Haverkamp, Hinrich Wilhelm Haverkamp, Diedrich Heinemann und anfangs Johann Diedrich Witte. Was das folgende Jahrzehnt betrifft, so ist über Georgs Leben nur wenig bekannt. Seine Geschwister verlassen nach und nach den Hof, wobei es Bruder Heinrich am weitesten in die Ferne verschlägt: Er wandert im November 1883 mit einem namentlich nicht mehr bekannten Freund aus Deichhorst in die USA aus.

Wo Georg seine künftige Ehefrau Metta Tönjes kennenlernt, liegt heute ebenfalls im Dunkeln. Mettas Eltern sind seit 1891 Eigentümer des Krongutes Welsburg in Bergedorf, einer einstigen Sommerresidenz des Grafen Anton Günther von Oldenburg. Georg heiratet sie am 31. Mai 1892. Noch im selben Jahr verlassen Marie Gesine und Johann Heinrich Tönjes den Haverkamp-Hof und beziehen in Hude eine kleine Landstelle an der Parkstraße. Georgs Stiefvater stirbt dort allerdings nur ein knappes Jahr später an Darmkrebs, woraufhin Mutter Marie Gesine nach Lintel zurückkehrt. Dort erlebt sie die Geburt der Enkelkinder Martha Johanne (September 1893) und Adolf (August 1894), ehe sie im Juni 1896 wie 27 Jahre zuvor ihr erster Ehemann Heinrich Haverkamp der Volksseuche Tuberkulose zum Opfer fällt. Drei Monate später kommt Georgs und Mettas zweite Tochter Gretchen zur Welt, im Oktober 1897 dann als viertes und letztes Kind Tochter Klara.

Für das folgende Jahrzehnt ist ein Besuch des ausgewanderten Bruders Heinrich auf dem Haverkamp-Hof überliefert. Dabei hinterlässt er eine im Jahr 1908 gedruckte Ein-Dollar-Note, die noch heute im Familienbesitz ist. Als sich Heinrich, Georg und der älteste, mittlerweile in Hude lebende Bruder August danach voneinander verabschieden, ahnt vermutlich niemand von ihnen auch nur im Entferntesten, dass die USA und Deutschland nur wenige Jahre später auf verschiedenen Seiten in den Ersten Weltkrieg ziehen werden. Ein Krieg, an dem Georgs Sohn Adolf von Beginn an teilnimmt. Anders als die Nachbarn Johann und Karl Abel sowie neun andere bei den Kämpfen gefallene Dorfbewohner kehrt er allerdings 1918 heil nach Hause zurück.

Dem für das Kaiserreich verlorenen Krieg folgt die Ausrufung der Weimarer Republik, die allerdings angesichts der im Versailler Vertrag diktierten Friedensbedingungen einen denkbar schweren Start hat. Eine sich zur Hyperinflation steigernde Geldentwertung und die Dauer-Krise der Landwirtschaft in den 1920er Jahren machen es zwischenzeitlich vermutlich auch Georg schwer, mit Zuversicht nach vorne zu schauen. Immerhin, die Geburt der Enkelkinder Gerd (Oktober 1926) und Heino (Dezember 1928) aus Adolfs Ehe mit Mathilde Plate dürfte in ihm die Hoffnung wachhalten, dass nach ihm noch weitere Generationen seiner Familie die Geschichte des Haverkamp-Hofes erfolgreich fortschreiben.

Dass es tatsächlich so kommt, ist angesichts der Entwicklung der folgenden Jahre nicht selbstverständlich. Denn die Nationalsozialisten, die im Zuge der aus den USA nach Deutschland überschwappenden Weltwirtschaftskrise enorme Stimmenzuwächse erzielen, haben nach ihrer Machtübernahme im Januar 1933 nichts Besseres zu tun, als prompt den nächsten Krieg vorzubereiten. Er beginnt am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen und hätte in seiner Schlussphase durchaus auch Georgs noch zur Wehrmacht (Gerd) und zum Volkssturm (Heino) eingezogene Enkel das Leben kosten können. Beide überstehen jedoch die verlustreichen letzten Kriegsmonate unversehrt und sind bereits im Sommer 1945 wieder zu Hause.

Georgs letzte Lebensjahre, die er ohne seine inzwischen verstorbene Ehefrau Metta verbringt, sind geprägt von den typischen Entbehrungen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Trotz seines fortgeschrittenen Alters arbeitet er weiter auf dem längst von Adolf und Mathilde geführten, aber nach wie vor ihm gehörenden Hof mit. Kurz vor dem 80. Geburtstag eröffnet Georg dann die im Juni 1948 vollzogene Währungsreform den Blick auf eine bessere Zeit. Eine Zeit, die er aber nur noch kurz genießen kann: Georg stirbt am 14. April 1950 – wenige Wochen, bevor Lintel zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder ganz traditionell zu Himmelfahrt Schützenfest feiert. Beerdigt ist er vier Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche.