Gretchen Ahlers – Biographie

Gretchen Amanda Ahlers wird am 22. März 1912 als zweites Kind von Diedrich Geerken und Henriette Geerken auf dem elterlichen Hof am Schnitthilgenloh in Lintel (heute: Otto Drieling) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Hans Geerken und die ältere Schwester von Walter Geerken. Daneben hat sie mit Bernhard Geerken, Johann Geerken, Carl Geerken, Ludwig Geerken und August Geerken noch fünf Halbbrüder aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Anna Geerken.

Am Tag von Gretchens Geburt tritt Kaiser Wilhelm II. vom Berliner Bahnhof Friedrichstraße aus seinen jährlichen Griechenland-Osterurlaub an. Neben Kaiserin Auguste Viktoria und anderen Familienmitgliedern verabschieden auch einige tausend Berliner ihren Monarchen, dessen Sonderzug zeitgenössischen Presseberichten zufolge um 18.28 Uhr den Bahnhof verlässt. Erste Station der Reise ist Wien, wo Österreich-Ungarns Kaiser Franz Joseph I. Wilhelm zu einem Gespräch empfängt. In Venedig steigt der Kaiser auf seine in der Lagunenstadt ankernde Yacht „Hohenzollern“ um und trifft anschließend mit Italiens König Viktor Emanuel III. zusammen. Per Schiff geht es weiter zur Insel Brioni, dem Urlaubsort des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Ehefrau Sophie, ehe die „Hohenzollern“ schließlich Kurs auf Korfu nimmt.

In Griechenland lebt Wilhelms jüngere Schwester Sophie von Preußen, Ehefrau des griechischen Kronprinzen Konstantin. Mehr noch als dieses verwandtschaftliche Band zieht ihn jedoch seine Leidenschaft für die Archäologie dorthin. Auf Korfu besitzt der Kaiser mit dem Achilleion einen ursprünglich für Elisabeth von Österreich („Sissi“) erbauten Palast, den er 1907 aus deren Nachlass gekauft hat. Auf einer nahegelegenen Ausgrabungsstätte arbeitet ein Team des deutschen Archäologen Wilhelm Dörpfeld, dem Wilhelm bei seinen Aufenthalten immer wieder begeistert zur Hand geht. So auch dieses Mal: Bis zur Abreise Anfang Mai 1912 schickt er regelmäßig Telegramme an das Archäologische Institut in Berlin und berichtet von Dörpfelds Fortschritten bei der Freilegung des Kardaki-Tempels.

Während seiner Regentschaft erhält Wilhelm nur noch einmal Gelegenheit, auf Korfu einen längeren Osterurlaub zu verbringen – im Frühjahr 1914, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. In der Folge besetzen serbische Truppen das Achilleion und richten auf dem kaiserlichen Anwesen ein Lazarett für serbische und französische Soldaten ein. Nach Kriegsende fällt es gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages an den griechischen Staat. Wilhelm wiederum flieht nach seiner Abdankung in die Niederlande und lässt sich auf Schloss Doorn nieder.

In Lintel ist Gretchens Vater Diedrich bei Kriegsausbruch bereits 45 Jahre alt und bleibt deshalb von einer Teilnahme verschont. Wie aber wohl in allen Familien des Dorfes gibt es vor dem Thema kein Entrinnen – dafür sorgen schon die Erlebnisse der zur Armee eingezogenen älteren Halbbrüder. Was und wieviel davon im Detail bis zu Gretchen vordringt, lässt sich nur schwer einschätzen. Halbbruder Johann berichtet später in diesem Zusammenhang von einem Heimaturlaub, den er im September 1917 direkt nach einem Fronteinsatz bei Verdun antritt: Als er spätvormittags nach mehr als 24-stündiger Zugfahrt völlig erschöpft in seiner vom Lehm der Schlachtfelder verdreckten Uniform den Geerken-Hof erreicht und ihm Gretchen und ihr anderthalb Jahre älterer Bruder Hans entgegenkommen, haben die beiden Kinder Johanns Schilderung zufolge zunächst Schwierigkeiten, ihn überhaupt zu erkennen.

Sehr wahrscheinlich im Frühjahr 1918 wird Gretchen in die Volksschule Lintel eingeschult. Neben Hans gehören dort unter anderem Erich Henken, Erna Henken, Hermanda Lampe, Hinrich Johann Lampe, August Schmidt, Hinrich Schulte und Benno Wilkens zu den in etwa gleichaltrigen Mitschülern. Die folgenden Jahre sind geprägt vom politischen und wirtschaftlichen Chaos in der jungen Weimarer Republik, die sich unmittelbar nach der Ausrufung ihrer radikalen Feinde von links und rechts erwehren muss. Im Gedächtnis bleiben dürfte Gretchen aus dieser Zeit vor allem die Ende 1923 den Scheitelpunkt erreichende Hyperinflation, die auch Lintel mit Bündeln wertloser Geldscheine überflutet. Im April 1925 gibt es dann in der Familie noch einmal Nachwuchs: Gretchens jüngerer Bruder Walter kommt zur Welt.

Nach Schulabschluss und Konfirmation wohnt Gretchen zunächst weiter auf dem elterlichen Hof. Wahrscheinlich verdient sie sich in dieser Zeit irgendwo in der näheren Umgebung als Magd oder Dienstmädchen noch etwas hinzu, denn die von der Familie in eher kleinem Rahmen betriebene Landwirtschaft wirft nur wenig ab. Ganz allgemein sind die mit Blick auf das kulturelle Leben in den Großstädten häufig als „golden“ verklärten Jahre zwischen 1924 und 1929 in eher landwirtschaftlich geprägten Regionen wie dem Freistaat Oldenburg keineswegs eine unbeschwerte Zeit, sondern lediglich ein Vorgeschmack auf die nächste Herausforderung in Form der 1929 ausbrechenden Weltwirtschaftskrise. Letztere veranlasst 1932 Gretchens einige Jahre zuvor in die USA ausgewanderten Halbbruder August zur Rückkehr nach Deutschland. Er ist der rechtmäßige Erbe des Geerken-Hofes und verkauft ihn wenig später an Georg Wenke.

Kurz nach der im März 1933 noch in Lintel gefeierten Hochzeit ihres Bruders Hans mit Alma Küpker aus Wüsting siedelt Gretchen mit der Familie auf einen Pachthof in Moordorf über. Bald darauf nimmt sie eine Stellung in der Gaststätte „Altenescher Hof“ in Altenesch an, wo sie ihren künftigen, aus Osternburg stammenden Ehemann Hermann Ahlers kennenlernt. Die Hochzeit findet am 5. April 1935 in Moorriem statt – fünf Tage, bevor Reichsluftfahrtminister Hermann Göring die Schauspielerin Emmy Sonnemann zum Traualtar des Berliner Doms führt. Es ist die wohl pompöseste Vermählung der gesamten NS-Zeit, die mit Sicherheit auch in Gretchens Umfeld als Gesprächsthema dient.

Im August 1935 bringt Gretchen in der Landesfrauenklinik in Oldenburg Sohn Edo zur Welt, im Februar 1937 dann den zweiten Sohn Horst. Mit ihnen und Ehemann Hermann wohnt sie fortan in Lemwerder in unmittelbarer Nähe der Weser. In Lemwerder bleibt sie mit den Kindern auch wohnen, als Anfang September 1939 der von den Nationalsozialisten vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg beginnt und Hermann im Februar 1942 einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht erhält. Nach der militärischen Ausbildung in Bad Zwischenahn und Wilhelmshaven verschlägt es ihn in die Sowjetunion, nach Rumänien, Ungarn und Bulgarien, ehe er im April 1945 in Gefangenschaft gerät. Erst acht Monate später, eine Woche vor Heiligabend, ist die Familie wieder vereint.

Nach seiner Rückkehr findet Hermann in einer Klempnerei in Ritzenbüttel Arbeit. Im Frühjahr 1953 kaufen er und Gretchen dort direkt am Deich ein kleines reetgedecktes Einfamilienhaus, das zum neuen Lebensmittelpunkt der vierköpfigen Familie wird – und es auch bleibt, als Hermann noch einmal den Arbeitgeber wechselt und fortan beim Betreiber der zwischen Lemwerder und Vegesack verkehrenden Weserfähre angestellt ist. Zu den gern gesehenen Gästen im neuen Heim gehört unter anderem Gretchens seit 1940 verwitwete Mutter Henriette, die während eines Besuchs in Ritzenbüttel Anfang April 1964 infolge eines Herzstillstands stirbt.

Im Oktober 1965 wird Gretchen durch die Geburt von Edos Tochter Susanne zum ersten Mal Großmutter. Das zweite Enkelkind Michael folgt im April 1970. Zu diesem Zeitpunkt ist Hermann Ahlers bereits Rentner, er und Gretchen haben nun mehr Zeit für gemeinsame Unternehmungen. Allerdings nur wenige Jahre, denn Hermann stirbt bereits im August 1976, gerade einmal neun Tage nach seinem 72. Geburtstag.

Weil das Haus für sie alleine zu groß ist, verkauft Gretchen ihr Eigenheim drei Jahre später und mietet in Lemwerder eine deutlich kleinere Wohnung. Noch einmal zehn Jahre später bittet ihr mittlerweile in Ovelgönne lebender Bruder Walter sie, ihm während eines längeren Krankenhaus-Aufenthaltes seiner Ehefrau Else vorübergehend den Haushalt zu führen. Als ihre Schwägerin direkt vom Krankenhaus in ein Pflegeheim überwiesen wird, kündigt Gretchen ihre Wohnung und bleibt in Ovelgönne.

Im März 1992 feiert Gretchen in der Gastwirtschaft „Zur alten Schänke“ in Motzen mit Freunden und Verwandten – zu denen inzwischen mit Horsts Kindern Helga und Reiner zwei weitere Enkel gehören – bei guter Gesundheit ihren 80. Geburtstag. Anderthalb Jahre nach dem im Lokal „Strandlust“ in Vegesack in ähnlichem Rahmen gefeierten 90. Geburtstag kommt dann mit Bjarne das erste Urenkelkind zur Welt. Dessen im März 2006 geborenen Bruder Rajk hält Gretchen, die nach einer längeren Erkrankung inzwischen im nahe Vegesack gelegenen „Haus Fichtenhof“ lebt, noch einmal im Arm, bevor sie danach ganz allmählich ihre Kräfte verlassen. Sie stirbt am 14. Mai 2006 an ihrem Altersruhesitz, das Urnen-Begräbnis einige Wochen später findet im engsten Familienkreis statt.