Hans Hoffrogge – Biographie

Hans Hoffrogge wird am 2. März 1909 als viertes Kind von Diedrich Hoffrogge und Anna Catharine Hoffrogge auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Gerrit und Linda Schlötelburg) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Heinrich Georg Hoffrogge, Alma Schlötelburg und Mathilde Schlötelburg.

Vier Tage vor Hans‘ Geburt willigt das Osmanische Reich offiziell ein, seine früheren Provinzen Bosnien und Herzegowina an Österreich-Ungarn abzutreten. Damit geht die Bosnische Annexionskrise in ihre finale Phase. Beide Provinzen stehen schon seit 1878 unter österreichisch-ungarischer Verwaltung – damals eine Art Lohn des späteren Siegers Russland dafür, dass die Donaumonarchie im Russisch-Osmanischen Krieg neutral geblieben war. Der nach Kriegsende abgehaltene Berliner Kongress hatte diese im Vorfeld getroffene Vereinbarung abgesegnet, auch wenn der dort verhandelte Vertragstext eine endgültige Abtretung ausdrücklich nicht vorsieht. Sie versucht Österreich-Ungarn im Oktober 1908 eigenmächtig umzusetzen und erntet dafür international massiven Protest. Das Osmanische Reich reagiert mit einem Handelsboykott gegen österreichisch-ungarische Waren, Großbritannien und Russland wiederum drohen mit einer Revision der Berliner Beschlüsse zulasten Österreich-Ungarns.

Die monatelang in der Luft liegende Kriegsgefahr ist durch die Einigung, die Österreich-Ungarn diverse Zugeständnisse und die Kaufsumme von 50 Millionen Kronen kostet, noch nicht vom Tisch. Starker Widerstand kommt weiter vom Königreich Serbien, das im Rahmen seiner von Russland unterstützten großserbischen Pläne selbst Anspruch auf die beiden Provinzen erhebt und zwischenzeitlich sogar eine Mobilmachung ausruft. Letztlich bleibt die große Konfrontation zwischen den europäischen Großmächten nur deshalb aus, weil das Deutsche Reich im Rahmen des 1879 geschlossenen Zweibunds kompromisslos zu Österreich-Ungarn steht, Russland durch den 1905 verlorenen Krieg gegen Japan militärisch noch geschwächt ist und Russlands Beistands-Partner Frankreich den Bündnisfall nicht für gegeben hält. Am 2. März 1909 fordern Russland, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien Serbien in einer gemeinsamen Note auf, sämtliche territorialen Forderungen gegenüber Österreich-Ungarn aufzugeben. Eine Forderung, der die serbische Regierung am 10. März zähneknirschend nachkommt.

In einer am 29. März 1909 vor dem Reichstag in Berlin gehaltenen Rede bekräftigt Reichskanzler Bernhard von Bülow noch einmal den Willen des Deutschen Reiches zur unbedingten Einhaltung seiner Bündnispflichten und spricht in diesem Zusammenhang von „Nibelungentreue“. Ein fatales Signal, wie sich in der nächsten Krise zeigen wird. Als der serbische Nationalist Gavrilo Princip im Juni 1914 den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand ermordet und die Regierung in Wien Serbien daraufhin den Krieg erklärt, stärkt Deutschland dem Verbündeten abermals bedingungslos den Rücken. Dieses Mal lassen sich Russland und Frankreich davon jedoch nicht beeindrucken: Am 1. September 1914 führt das gegenseitige Säbelrasseln auf direktem Weg in den Ersten Weltkrieg.

Ein Ereignis, das auch in Lintel tiefe Spuren hinterlässt – und das Leben von Hans nachhaltig verändert. Zwar kehrt Vater Diedrich, der als Reservist unmittelbar nach Kriegsbeginn zur Kaiserlichen Armee einberufen wird, vier Jahre später unversehrt in die Heimat zurück. Dessen Bruder Georg, der als Grunderbe den Hans‘ Großeltern gehörenden Stamm-Hof der Familie Hoffrogge (heute: Herwig und Jens Pape) übernehmen soll, ist dieses Glück jedoch nicht vergönnt. Sein Tod hat zur Folge, dass Diedrich Hoffrogge 1918 mit Ehefrau Anna und den vier Kindern auf den deutlich größeren Stamm-Hof übersiedelt und von dort aus beide Stellen bewirtschaftet. Als jüngerer der beiden Söhne wiederum kann Hans darauf vertrauen, bei der Wahl zwischen den beiden Höfen das erste Zugriffsrecht zu haben.

Bevor es so weit ist, besucht Hans von 1915 an die dorfeigene Volksschule. Dort gehören unter anderem Hans Geerken, Hinrich Möhlenbrock, Georg Neuhaus, Adolf Nutzhorn, August Scholz und Johann Witte zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern. Noch bevor er die Schule beendet, stirbt im Juni 1921 Bruder Heinrich Georg im Alter von nur 16 Jahren. Für die Familie ein Schock, dem sich die wirtschaftlich enorm schwierigen Jahre der Hyperinflation anschließen. Erst 1924 werden die Zeiten wieder besser. Zwei Jahre später tritt Hans zusammen mit seinen Nachbarn Jonny Büscher und Heinrich Dählmann sowie Adolf Heyne dem Linteler Männergesangverein „Harmonie“ bei. Auch im Schützenverein Lintel, in dem Vater Diedrich den Vorsitz hat, wird er aktiv.

Nach dem Tod des ältesten Sohnes hat Diedrich Hoffrogge den Hof, auf dem Hans und seine Geschwister geboren sind, an Heinrich und Gesine Nehls aus Habbrügge verpachtet. Auf deren Tochter Käte wirft Hans Anfang der 1930er Jahre ein Auge – und schafft es bald, sie für sich zu interessieren. Beide heiraten am 24. Mai 1935.

Zu diesem Zeitpunkt regieren in Deutschland bereits die Nationalsozialisten. Deren Führer Adolf Hitler hält drei Tage vor der in Hude vollzogenen Trauung des jungen Paares eine Grundsatzrede zur Lage der Nation. Darin schreibt er die im Vergleich zu 1933 deutlich bessere wirtschaftliche Lage des Landes ausschließlich der NSDAP und „der ihr eigenen und entströmenden Tatkraft“ zu. Gleichzeitig versucht Hitler Bedenken im Ausland angesichts der im März 1935 gegründeten Wehrmacht schon im Keim zu ersticken. „Das nationalsozialistische Deutschland will den Frieden aus tiefinnersten weltanschaulichen Überzeugungen“ und „Niemand von uns hat die Absicht, jemanden zu bedrohen“ heißt es dazu in der entsprechenden Passage, ergänzt um einen Satz, der auch aus dem Munde eines Pazifisten stammen könnte: „Wir glauben, dass, wenn die Völker der Welt sich einigen könnten, ihre gesamten Brand-, Gas- und Sprengbomben gemeinsam zu vernichten, dies eine billigere Angelegenheit wäre, als sich mit ihnen gegenseitig zu zerfleischen.“

Schöne Worte. Was von ihnen zu halten ist, zeigt sich nur wenige Jahre darauf. Nach der im September 1938 im Münchner Abkommen ohne Beteiligung der Tschechoslowakei zwischen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien verhandelten Abtretung des Sudetenlandes („die letzte deutsche territoriale Forderung“) rollen im März 1939 deutsche Panzer durch die tschechische Hauptstadt Prag. Im selben Monat noch erpresst Hitler von Litauen mit Androhung von Krieg die Rückgabe des Memelgebiets.

Hans erlebt diese turbulenten Wochen in Lintel als amtierender Schützenkönig – ein Titel, den er zu Himmelfahrt 1937 erstmals errungen und ein Jahr später verteidigt hat. Zudem blickt er der Geburt seiner zweiten Tochter Edith entgegen, die im Mai 1939 zur Welt kommt. Die ältere Tochter Christa ist bereits im September 1936 geboren. Beide müssen in der Kindheit weitgehend auf ihren Vater verzichten, denn Hitler gibt sich mit der Zerschlagung Tschechiens und der Rückgabe des Memelgebiets nicht zufrieden: Am 1. September 1939 befiehlt er den Überfall auf Polen und löst damit den Zweiten Weltkrieg aus, woraufhin Hans einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht bekommt.

Wo Hans bis zur deutschen Kapitulation im Mai 1945 eingesetzt ist und wann genau er nach Hause zurückkehrt, ist in der Familie nicht mehr bekannt. Im September 1946 wird er mit der Geburt von Tochter Traute zum dritten Mal Vater. Die folgenden Jahre gehören dann wieder ganz der Landwirtschaft. Während der zwischenzeitlich von seinen Schwiegereltern gepachtete Hof an der Linteler Straße seit ihrer Heirat mit Gerhard Schlötelburg von Schwester Alma bewirtschaftet wird, konzentriert sich Hans mit Ehefrau Käte und den nach wie vor im Betrieb mitarbeitenden Eltern Diedrich und Anna ganz auf den Stamm-Hof, der nach einem Zukauf aus dem Besitz des Nachbarn August Ahlers 19 Hektar umfasst. Nach der im Juni 1948 vollzogenen Währungsreform tauscht er zudem noch einige Flächen mit weiteren Nachbarn.

Anfang März 1953 stirbt Mutter Anna im Alter von 69 Jahren. Den folgenden Sommer über hilft Hans tatkräftig mit, auf dem Gelände der Gaststätte Knutzen einen neuen Schießstand zu errichten – auf dem er dann zu Himmelfahrt 1954 zum dritten Mal Schützenkönig wird. Auch im Männergesangverein, der im Mai 1957 sein 75-jähriges Jubiläum feiert, ist Hans weiter aktiv. Im April 1960 verlässt dann Tochter Edith nach ihrer Hochzeit mit Edo Haverkamp aus Sandersfeld den elterlichen Haushalt. Ein Platz, der freilich nicht lange leer bleibt: Ihn füllt nur wenige Wochen später der zweite Schwiegersohn Herwig Pape aus Hurrel, der die zur Hoferbin eingesetzte Tochter Christa an einem ganz besonderen Tag zum Traualtar führt: am 24. Mai 1960, dem Tag der Silberhochzeit von Hans und Käte.

Die Geburt der Enkelkinder Meike (Juni 1961) und Jens (Mai 1966) macht den Familiensitz zu einem Vier-Generationen-Haushalt, den im August 1968 aber auch die jüngste Tochter Traute verlässt. Sie heiratet Edo Haverkamps Bruder Bernhard und zieht mit ihrem Ehemann nach Hude. Ihr plötzlicher Tod drei Jahre später überschattet für Hans den Beginn der 1970er Jahre. Es soll nicht der einzige Trauerfall jenes Jahrzehnts in der Familie bleiben. Immerhin, der nächste kommt wenig überraschend: Im November 1972 stirbt Vater Diedrich Hoffrogge im Alter von 91 Jahren an Altersschwäche. Wenige Wochen zuvor hat Hans mit Christas zweitem Sohn Henning (nach Meike, Jens sowie Ediths in Sandersfeld aufwachsenden Söhnen Dierk und Ingo) noch ein fünftes Enkelkind hinzubekommen.

Der dritte Trauerfall kommt abermals aus heiterem Himmel über die Familie, und dieses Mal trifft es Hans selbst. Am 5. November 1977 benötigt Nachbar Jonny Büscher jemanden, der ihn und Ehefrau Mimi zum Bahnhof nach Hude bringt. Obwohl er wie der gemeinsame Sangesbruder Adolf Heyne nur über eine eingeschränkte Fahrerlaubnis für ein umgebautes Goggomobil verfügt und ein eher ungeübter Fahrer ist, lässt Hans sich nicht lange bitten. An der Kreuzung Schaftrift/Hurreler Straße passiert es dann: Er übersieht ein auf der Vorfahrtstraße aus Richtung Hude kommendes Fahrzeug und prallt mit ihm zusammen. Alle vier in den Unfall verwickelten Personen werden verletzt, Hans am schwersten. Ein Rettungshubschrauber bringt ihn auf schnellstem Weg in eine Unfallklinik nach Bremen, wo die Ärzte sein Leben jedoch nicht retten können. Hans stirbt eine Woche später und wird am 19. November 1977 auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.