Heinrich Gorath – Biographie

Heinrich Johann Gorath wird am 29. August 1908 als viertes Kind von Johann Gorath und Anna Gorath auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Hans Dieter und Lisa Gorath) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Alwine Gorath, Johanne Wardenburg und Mathilde Lütjeharms und der ältere Bruder von Ella Mönnich.

Sechs Tage vor Heinrichs Geburt kehrt die 1906 aufgebrochene, ursprünglich von Ludvig Mylius-Erichsen geleitete Danmark-Expedition nach Kopenhagen zurück und wird dort von Ministerpräsident Jens Christian Christensen offiziell begrüßt. Dabei ist die Stimmung eher gedämpft als euphorisch: Ihren Auftrag, in der dänischen Kolonie Grönland das letzte unbekannte Stück der Nordostküste zu erforschen, hat die Expedition zwar erfüllt – dabei aber neben Erichsen noch zwei weitere Teilnehmer verloren. Alle drei kommen bei einer Erkundungsfahrt auf der Halbinsel Peary Land ums Leben. Die eingefrorene Leiche des grönländischen Führers Jørgen Brønlund finden seine Gefährten später in einer Höhle, die sterblichen Überreste von Erichsen und seinem Kartographen Niels Peter Høeg-Hagen bleiben bis heute verschollen.

Zum Expeditions-Team gehört mit Alfred Wegener auch ein Deutscher. Der 1880 in Berlin geborene Meteorologe hat im Laufe der zwei Jahre Drachen und Fesselballone auf bis zu 3.000 Meter Höhe steigen lassen und so die polare Atmosphäre untersucht. „Ich glaube, dass der Entschluss, mich an dieser Expedition zu beteiligen, entscheidend für mein ganzes Leben sein wird“ notiert Wegener dazu in seinem Tagebuch und schmiedet bald konkrete Pläne für eine weitere Forschungsreise nach Grönland. Zusammen mit dem dänischen Gletscherforscher Johan Peter Koch verbringt er den Winter 1912/13 vor Ort und führt diverse weitere klimatologische Messungen durch. Anschließend durchquert er Grönland mit Koch und zwei weiteren Begleitern per Pferdeschlitten von Ost nach West – was das Quartett allerdings beinahe das Leben kostet. Nur durch einen glücklichen Zufall erreicht es am 15. Juli 1913 sein Ziel Kangersuatsiaq.

Zurück in Deutschland, heiratet Wegener Else Köppen, eine Tochter des deutsch-russischen Meteorologen Wladimir Köppen, und nimmt seine Tätigkeit als Dozent an der Philipps-Universität in Marburg wieder auf. Pläne zu weiteren Forschungsreisen macht im August 1914 der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zunichte. Wegener wird zur Armee eingezogen, nach zwei an der Westfront erlittenen Verwundungen aber schon nach wenigen Monaten für felddienstuntauglich erklärt. Abgeordnet zum Wetterdienst des Heeres reist er danach zwischen den verschiedenen Wetterwarten in Deutschland, auf dem Balkan, an der Westfront und im Baltikum hin und her und arbeitet parallel dazu am Manuskript seines späteren Hauptwerks „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“.

So viel Glück wie Alfred Wegener hat Heinrichs ebenfalls zum Kriegsdienst einberufener Vater Johann Gorath nicht: Er fällt im Oktober 1916 in der sich über mehrere Monate hinziehenden Schlacht an der Somme, so dass Heinrich in Lintel fortan als Halbwaise aufwächst. Die Schule besucht er zu diesem Zeitpunkt nicht in seinem Heimatdorf, sondern im benachbarten Hemmelsberg. Eingeschult worden ist Heinrich nämlich der geringeren Entfernung wegen in Altmoorhausen statt in Lintel. Die dortige Volksschule wiederum wurde im Frühjahr 1916 nach der Einberufung ihres Leiters Johann Folkers vorübergehend geschlossen, ihre Schüler werden seither in Hemmelsberg von Karl Reinken mitunterrichtet.

Nach dem Ende des Krieges im November 1918 und dem Zusammenbruch des Kaiserreichs öffnet die Schule in Altmoorhausen wieder, erster Leiter in der am 9. November ausgerufenen Weimarer Republik ist Friedrich Hartmann. Zu Heinrichs in etwa gleichaltrigen Mitschülern in dieser Zeit gehören wie schon in Hemmelsberg Heinrich Budde, Karl Gode, Hinrich Georg Rüschen und Georg Rüscher. Kurz vor Schulabschluss und Konfirmation schlägt dann das Schicksal in seiner Familie ein zweites Mal zu: Heinrichs älteste Schwester Alwine stirbt im Mai 1922 kurz nach ihrem 18. Geburtstag, weil sie nach einer Blinddarmentzündung nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden kann.

Die Frage, wer später den von Mutter Anna mit Hilfe ihres unverheirateten Bruders Rudolf Mönnich bewirtschafteten Gorath-Hof übernehmen soll, stellt sich angesichts des damaligen Vorrangs der männlichen Erben nicht – als einziger vorhandener Sohn ist Heinrich gesetzt und wird dementsprechend früh auf diese Aufgabe vorbereitet. Wobei die Zeiten für die Landwirtschaft angesichts der verheerenden, 1923 ihren Höhepunkt erreichenden Hyperinflation und einer sich daran anschließenden Agrarkrise alles andere als einfach sind. Mit einer für damalige Verhältnisse durchaus respektablen Größe von rund 17 Hektar ist die Basis für einen Fortbestand des Betriebes aber zweifelsohne vorhanden.

Bei welcher Gelegenheit Heinrich Anfang der 1930er Jahre – aus der Agrarkrise ist inzwischen eine handfeste Wirtschaftskrise geworden – seine künftige Ehefrau Klara Windels aus Tweelbäke kennenlernt, ist heute in der Familie nicht mehr bekannt. Die beiden älteren Schwestern sind da sehr wahrscheinlich bereits verheiratet: Johanne seit März 1930 mit Hugo Wardenburg und Mathilde mit dem Wüstinger Molkerei-Angestellten Johann Lütjeharms. Die beiden Letztgenannten stehen im Oktober 1932 vor dem Traualtar, drei Monate vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Heinrich und Klara heiraten am 7. Mai 1935. Aus der Ehe gehen mit Irma (Juni 1936), Hans Dieter (September 1936) und Marga (Februar 1939) drei Kinder hervor, ehe mit dem deutschen Überfall auf Polen ein neuer Weltkrieg beginnt. Zunächst ohne Heinrichs Beteiligung: Erst im Laufe des Jahres 1942 erhält er einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht und absolviert einen Sanitäts-Lehrgang in Neumünster. Als Sanitäter ist er zunächst an der Ostfront und später im besetzten Frankreich eingesetzt. Obwohl durch diese Tätigkeit weniger gefährdet als ein Sturmpionier oder ein Panzergrenadier, übersteht er den Krieg angesichts einer erst im letzten Moment erfolgreich behandelten Fleckfieber-Erkrankung nur knapp. Nach der eigenen Gefangennahme und der Kapitulation der Wehrmacht im Frühjahr 1945 bleibt Heinrich noch mehr als anderthalb Jahre lang in einem Lager in der Nähe von Marseille interniert. Erst Anfang 1947 kehrt er nach Hause zurück.

In Lintel wird Heinrich mit offenen Armen empfangen und nimmt – unterstützt von Ehefrau Klara, Mutter Anna und den drei Kindern – die Arbeit in der Landwirtschaft wieder auf. Nach einigen nachkriegsbedingt zunächst schwierigen Jahren profitiert der Gorath-Hof vom nach der Gründung der Bundesrepublik einsetzenden Wirtschaftsaufschwung, ohne sich dabei allerdings wesentlich zu vergrößern. Das ist zunächst auch nicht nötig, denn auch in den 1950er Jahren kann eine sechsköpfige Familie mit den Erträgen, die 17 Hektar Land, zehn Milchkühe sowie einige Schweine abwerfen, bei einigermaßen bescheidener Lebensweise problemlos über die Runden kommen. Eine wesentliche Neuerung ist Anfang der 1960er Jahre die Anschaffung eines 27-PS-Traktors von Hanomag für die Feldarbeit.

Ähnlich wie eine Generation zuvor steht mit dem einzigen Sohn Hans Dieter der Hofnachfolger frühzeitig fest. Nach dessen Hochzeit mit Lisa Sanders aus Tweelbäke im Mai 1961 kann Heinrich es etwas ruhiger angehen lassen – was gesundheitlich auch geboten erscheint, denn mit zunehmendem Alter machen sich erste Herzprobleme bemerkbar. Sein Interesse an der Landwirtschaft bremst das nicht aus, ebenso wenig seine Liebe zum Chorgesang und zum Schießsport: Über Jahrzehnte hinweg ist Heinrich ein treues Mitglied sowohl des Hemmelsberger Männergesangvereins als auch des Schützenvereins Lintel und des Schützenvereins Hemmelsberg-Altmoorhausen.

Das hohe Alter, das seine im Januar 1970 mit 93 Jahren verstorbene Mutter Anna erreicht, ist Heinrich selbst nicht vergönnt: Er erleidet noch im selben Jahr kurz hintereinander zwei Herzinfarkte und stirbt am 21. Oktober 1970. Beerdigt ist Heinrich zwei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.