Werner Dählmann – Biographie

Werner Johann Dählmann wird am 17. April 1935 als zweites Kind von Heinrich Dählmann und Anny Dählmann auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Heiko und Renke Dählmann) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Hanna Bölts und der ältere Bruder von Ursel Mehrings, Heiko Dählmann und Almut Meyerholz.

Zwei Tage vor Werners Geburt stirbt im Kreiskrankenhaus Sögel der frühere Reichstagsabgeordnete und Gewerkschaftsführer Friedrich Husemann. Er erliegt den Verletzungen, die ihm Mitglieder der Wachmannschaft am 14. April 1935 im nahegelegenen Konzentrationslager Esterwegen beigebracht hatten. Festgenommen worden war Husemann am 18. März 1935 an seinem Wohnort Bochum – zum insgesamt vierten Mal seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933. Den Anlass liefert eine von ihm eingereichte Klage gegen die Deutsche Arbeitsfront auf Entschädigungszahlungen für Gewerkschaftsangestellte. Unmittelbar nach der Überstellung aus dem Polizeigefängnis Bochum nach Esterwegen wird Husemann offiziellen Angaben zufolge „auf der Flucht erschossen“.

Zum tatsächlichen Hergang existieren unterschiedliche Schilderungen. Eine besagt, dass Husemann bei Misshandlungen auf dem Sportplatz von zwei Kugeln getroffen wird. Ein Mithäftling wiederum gibt nach seiner Entlassung Folgendes zu Protokoll: „Am Tage der Einlieferung im Lager Esterwegen mussten die Schutzhäftlinge bereits mit Schubkarren im Laufschritt hin- und herlaufen, immer 200 Meter. An diesem ersten Mittag brach der 62-jährige Husemann, der langjährige Sekretär des Verbandes der Bergbauindustrie-Arbeiter Deutschlands und Mitglied des Präsidiums der Bergarbeiter-Internationale, zweimal zusammen. Man überschüttete ihn mit kaltem Wasser, um ihn wieder zum Bewusstsein zu bringen. Am folgenden Morgen wiederholte sich das noch dreimal. Mittags befand sich Husemann, dem man einen besonders großen eisernen Schubkarren gegeben hatte, tödlich ermüdet ungefähr 30 Meter von der Lagergrenze entfernt, bis zu der sich die Gefangenen bewegen durften. Plötzlich gab der Sturmführer Lorentz den Befehl: ‚Schubkarren stehenlassen! Laufschritt marsch, marsch!‘ Husemann war noch keinen Meter über die Grenze gekommen, da knallten Schüsse. Er schlug vornüber, wälzte sich einige Mal hin und her und stöhnte laut. Er war durch fünf Schüsse in den Rücken getroffen worden. Der tödlich Verwundete flehte um einen Gnadenschuss. Als Antwort spuckte ihm Sturmführer Lorentz ins Gesicht. Zwei Stunden lang lag Husemann noch auf diesem Platz.“

Der zitierte Augenzeugen-Bericht stammt aus dem 1936 in Paris veröffentlichten Enthüllungs-Report „Hitlers Krieg gegen die Friedenskämpfer in Deutschland“. Seinen größtenteils anonym bleibenden Autoren zufolge nimmt das NS-Regime zwischen 1933 und 1935 mehr als eine Million Menschen willkürlich in Haft, von ihnen wiederum werden rund 225.000 „verurteilt, eingesperrt, zum Schweigen gezwungen, gequält, ermordet.“ Parallel dazu beginnt die Aufrüstung der am 16. März 1935 ins Leben gerufenen Wehrmacht. Alle Proteste aus dem Ausland – unter anderem aus dem Kreis der vier Wochen später von Frankreich, Großbritannien und Italien gebildeten Stresa-Front – laufen ins Leere, zumal sich deren Vertreter nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen können. Großbritannien etwa verfolgt eine als Appeasement in die Geschichtsbücher eingegangene Beschwichtigungspolitik und schließt im Juni 1935 mit Deutschland ein Flottenabkommen, das weite Teile der 1919 im Versailler Vertrag festgelegten Rüstungsbeschränkungen aufhebt. Für Adolf Hitler nach der zum 1. März 1935 erfolgten Wiedereingliederung des Saarlandes ins deutsche Staatsgebiet ein weiterer Prestige-Erfolg. Mit den für Februar und August 1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin geplanten Olympischen Spielen winken schon bald zwei weitere.

Die Zustände im von Lintel nur 60 Kilometer entfernten Konzentrationslager Esterwegen, wo bis Mai 1936 auch der spätere Friedensnobelpreis-Träger Carl von Ossietzky festgehalten wird, dürften Werners Eltern angesichts der allgegenwärtigen NS-Propaganda weitgehend verborgen bleiben. Dass sie großes Interesse für das Thema Olympia entwickeln, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich – dafür sind die privaten Sorgen und Nöte in jenen Wochen und Monaten definitiv zu groß. Denn schon bald nach der Geburt ihres ersten Sohnes stellt sich heraus, dass dieser an einem irreparablen Herzfehler leidet. Schon kleinste Anstrengungen lassen ihn blau anlaufen, weshalb die zu Rate gezogenen Ärzte vermutlich nur wenig Hoffnung auf Besserung machen. Womit sie am Ende Recht behalten sollen: Werner stirbt am 14. Juli 1936 – zwei Wochen vor Beginn der Berliner Sommerspiele – und wird wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.