Alma Lampe – Biographie

Alma Gesine Lampe wird am 19. Juni 1912 als achtes Kind von Hinrich Lampe und Mathilde Lampe auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Hans-Hermann und Wilma Vink) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Heinrich Lampe, Hermann Lampe, Sophie Plomp, Martha Vink, Georg Hinrich Lampe, Klara Schiller und Hermanda Blank und die ältere Schwester von Hinrich Johann Lampe und Lina Lampe.

Der Juni 1912 ist ein verlustreicher Monat für die noch immer in ihren Anfängen stehende Luftfahrt. Gleich am 1. Juni gerät der Amerikaner Philip Orin Parmelee, der im November 1910 als erster Pilot der Welt einen kommerziellen Frachtflug unternommen hatte, während einer Flug-Show in Yakima im US-Bundesstaat Washington in schwere Turbulenzen und stürzt ab. Er stirbt beim Aufprall in den Trümmern seiner Maschine. Am 17. Juni verunglückt seine Landsmännin Julia Clark – erst seit Mai 1912 im Besitz einer Pilotinnen-Lizenz – in Springfield (Bundesstaat Illinois) tödlich, als sie bei einem Testflug in der Abenddämmerung die Krone eines Baumes streift.

Clark ist nach Denise Moore (Juli 1911) und Suzanne Bernard (März 1912) bereits die dritte Frau, die ihren Pionier-Einsatz in den Lüften mit dem Leben bezahlt. Am 1. Juli 1912 folgt ihr Harriet Quimby, die während einer Flug-Show in der Nähe von Boston auf einer Höhe von rund 300 Metern durch eine plötzliche Neigung ihres Flugzeugs aus dem Sitz geschleudert wird. Dazwischen liegt noch der Tod der beiden französischen Militärpiloten Marcel Dubois und Albert Peignan, die am Morgen des 19. Juni 1912 in der Nähe von Douai bei diesigem Wetter mit ihren Maschinen kollidieren. Es ist der erste tödlich verlaufende Zusammenstoß zweier Flugzeuge in der Luftfahrt-Geschichte.

Welch ein Himmelfahrtskommando die Fliegerei zu jener Zeit häufig ist, zeigt auch ein Mitte Juni 1912 unter großem Medien-Echo veranstalteter Wettflug von Berlin nach Wien. Von zehn Teilnehmern schafft es mit Hellmuth Hirth lediglich einer ohne Zwischenfälle ins Ziel. Trotzdem gilt die Bewältigung der rund 600 Kilometer langen Strecke als weiterer Beleg dafür, dass dem Verkehrs- und Transportmittel Flugzeug die Zukunft gehört. Auch außerhalb des zivilen Bereichs: Seit Jahren wetteifern die verfeindeten Großmächte Frankreich und Deutschland um die leistungsfähigeren Luftstreitkräfte – wobei Frankreichs einst ansehnlicher Vorsprung ganz allmählich schrumpft.

Auf deutscher Seite setzt sich vor allem Kaiser-Bruder Heinrich von Preußen dafür ein, Flugzeuge künftig stärker militärisch zu nutzen. Gemeinsam mit August Euler ruft er im April 1912 zur Nationalflugspende auf, deren Erlös unter anderem in die Entwicklung verbesserter Prototypen fließt. Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, stehen dem deutschen Heer bei der Mobilmachung rund 450 Ein- und Doppeldecker zur Verfügung, hinzu kommen 36 Maschinen der Marine. Gleichwohl bleibt der Einfluss der Luftwaffe auf das Kriegsgeschehen in den folgenden Jahren vergleichsweise gering.

Im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Almas Geburtsort gehört, tut sich während des Ersten Weltkriegs niemand als erfolgreicher Militärflieger hervor. Die zur kaiserlichen Armee einberufenen Linteler Männer leisten ihren Kriegsdienst überwiegend im Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 oder auch bei den ebenfalls in Oldenburg stationierten Dragonern. Hinrich Lampe – bei Kriegsausbruch 44 Jahre alt – ist aber allem Anschein nach nicht mehr dabei: Er arbeitet außer auf seinem 1896 begründeten Hof weiter nebenbei als Schuster und Hausschlachter und wird im Januar 1916 durch die Geburt von Almas Schwester Lina noch ein zehntes und letztes Mal Vater. Bis auf den im Oktober 1906 als Säugling an Brechdurchfall verstorbenen Sohn Georg Hinrich erreichen dabei alle Kinder das Erwachsenenalter.

Ob Alma die Ankunft ihrer Schwester und all die anderen Ereignisse der ersten Lebensjahre ähnlich wahrnimmt wie die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld, darüber lässt sich nur spekulieren. Erzählungen aus der Familie zufolge leidet Alma von Geburt an unter einer Nervenkrankheit, die ihre geistige Entwicklung mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Wie auch immer heute die exakte Diagnose lauten würde – mit frühkindlicher Förderung hätte man sicher einiges an Defiziten ausgleichen können. Doch darauf sind nach dem verlorenen Weltkrieg und den sich aus der Niederlage ergebenden gesellschaftlichen Umwälzungen zu Beginn der 1920er Jahre weder Eltern noch Lehrer geschweige denn die Mitarbeiter staatlicher Behörden eingestellt. So kommt es, dass Alma schon bald nach der Einschulung von ihrer Schulpflicht entbunden wird und auf dem elterlichen Hof zwar gut behütet, aber relativ abgeschottet von gleichaltrigen Dorfkindern aufwächst.

Das ganze folgende Jahrzehnt hindurch bleibt Alma eine Konstante auf dem von diversen Veränderungen betroffenen Lampe-Hof. Im Juli 1922 stirbt ihr zweitältester Bruder Hermann an einem Stromschlag, den er nach seiner Ausbildung zum Maurer auf einer Baustelle erleidet. Der sich im folgenden Jahr zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung versuchen die Schwestern Sophie, Martha und Klara durch Hollandgängerei zu entkommen. Zu diesem Zeitpunkt hat sehr wahrscheinlich auch Almas ältester Bruder Heinrich Lintel längst verlassen, so dass sie neben den Eltern lediglich die 1910 geborene Schwester Hermanda und ihre jüngeren Geschwister Hinrich Johann und Lina als unmittelbare Bezugspersonen in der Nähe behält.

Die 1930er Jahre beginnen mit dem Überschwappen der 1929 in den USA begonnenen Weltwirtschaftskrise auf Deutschland – und dem Erstarken der von dieser Entwicklung profitierenden NSDAP. Für Alma eine nicht zu unterschätzende Gefahr: In ihrer verbrecherischen Ideologie machen die von Adolf Hitler geführten Nationalsozialisten nicht nur das „Weltjudentum“ für jegliches Deutschland treffendes Unheil verantwortlich, sie erklären auch sämtliche geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen zu „unwertem Leben“. Nach Hitlers Machtübernahme im Januar 1933 kommt das im kurz darauf errichteten Gau Weser-Ems für viele der teilweise auf staatlichen Druck hin in die Pflegeanstalt Wehnen eingewiesene Patienten einem Todesurteil gleich.

Alma übersteht diese dunkle Zeit in der Obhut ihrer Eltern und des als Hoferben vorgesehenen Bruders Hinrich Johann. Letzterer verpflichtet sich allerdings mutmaßlich schon 1937 bei der neugegründeten Wehrmacht und kann nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 nur noch selten bei Ehefrau Anna und Sohn Karl-Heinz in Lintel sein. Dessen Geburt im Mai 1941 erleben weder Almas Mutter Mathilde noch die jüngste Schwester Lina mit: Beide sind im Februar 1941 nach schwerer Krankheit im Abstand von nur drei Tagen verstorben. Im Juli 1944 fällt dann Hinrich Johann Lampe in Lettland.

Wie Alma das Kriegsende und die anschließende Besatzungszeit erlebt, liegt heute weitgehend im Dunkeln. Im Oktober 1946 heiratet Schwägerin Anna ein zweites Mal und verlässt den Lampe-Hof mit Sohn Karl-Heinz Richtung Oldenburg. Danach kümmert sich eine heute nicht mehr namentlich bekannte Haushälterin um Alma und ihren Vater, doch das ist keine Dauerlösung. Im Frühjahr 1949 kehrt daraufhin die zweitälteste Schwester Martha mit ihrer in Mansholt bei Wiefelstede lebenden Familie (Ehemann Gerrit Vink sowie die Kinder Friedel, Marianne und Hans-Hermann) nach Lintel zurück. Martha übernimmt den elterlichen Hof und neben der Betreuung ihres Vaters auch die Vormundschaft für Alma.

Weil Gerrit Vink hauptberuflich auf der Ziegelei Knabe in Kirchkimmen arbeitet und sich nur nach Feierabend und an den Wochenenden um den rund vier Hektar großen Nebenerwerbshof kümmern kann, liegt die tägliche Bewirtschaftung weitgehend in Marthas Verantwortung. Dabei geht Alma ihr zuverlässig zur Hand – woran sich weder durch Gerrits Unfalltod im Februar 1964 noch durch die Hochzeit des späteren Hoferben Hans-Hermann mit Wilma Düßmann aus Munderloh im August desselben Jahres etwas ändert: Wenn es etwas zu tun gibt, ist Alma stets an Marthas und fortan auch an Wilmas Seite. Auch nach der Geburt von Hans-Hermanns und Wilmas Söhnen Gerold (Januar 1965) und Heiko (Mai 1967) bleibt sie voll in die Familiengemeinschaft integriert.

Bewähren muss sich die Gemeinschaft, als im Dezember 1973 ein des Nachts im Schweinestall ausbrechendes Feuer auf das Wohnhaus übergreift und dort schwere Schäden verursacht. Für drei Monate zusammen mit Martha, Hans-Hermann, Wilma, Gerold und Heiko notdürftig auf der Nachbarschaft im Haus von Marthas ältestem Sohn Friedel untergekommen, verläuft Almas Leben aber von Frühjahr 1974 an wieder in seinen gewohnten Bahnen – bis sie Anfang der 1980er Jahre gesundheitlich mehr und mehr abbaut und fortan auch auf körperliche Betreuung durch die Familie angewiesen ist.

Alma stirbt am 23. August 1982, zwei Monate nach ihrem 70. Geburtstag. Beerdigt ist sie zwei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.