Gerhard Kreye – Biographie

Heinrich Gerhard Kreye – Rufname Gerhard – wird am 16. Dezember 1881 als erstes Kind von Johann Hinrich Kreye und Gesine Margarethe Kreye in Wraggenort geboren. Er ist der ältere Bruder von Gustav Hermann Kreye, Hinrich Carl Kreye, Anna Helene Kreye, Hermann Georg Kreye, Johann August Kreye, Martha Kreye und Frieda Aline Kreye.

Eine Woche vor Gerhards Geburt brennt in Wien das erst 1874 eröffnete Ring-Theater vollständig nieder. Bei einer der größten Brandkatastrophen in der Geschichte Österreich-Ungarns kommen mutmaßlich mehr als 400 Menschen ums Leben. Das Unglück nimmt an jenem verhängnisvollen Dezemberabend seinen Anfang, als die Besucher der für 19 Uhr geplanten Aufführung von „Hoffmanns Erzählungen“ gerade ihre Plätze einnehmen. Beim Entzünden des Lichts in den hinter der Bühne angebrachten Schaukästen entweicht Gas, es kommt zu einer Explosion. Dadurch geraten Teile des Bühnenbilds in Brand. Nur wenige Minuten später springen die Flammen auf den Zuschauerraum über, Panik bricht aus. Im Dunkeln finden viele der späteren Opfer den Ausgang nicht und ersticken. Erschwert werden die Rettungsarbeiten unter anderem durch eine fehlende Notbeleuchtung sowie dadurch, dass sich die Türen des Theaters nur nach innen öffnen lassen. Auch schätzt die Polizei die Lage völlig falsch ein und hält im Theater-Vorraum bereitstehende Feuerwehrleute zunächst von weiteren Rettungsversuchen ab.

Als spontane Reaktion auf den Brand gründet sich nur einen Tag später die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft. Auch die Behörden reagieren: In allen Theatern des Kaiserreichs werden Eiserne Vorhänge zur Pflicht, Dekorationen müssen zudem künftig imprägniert sein. Am 24. April 1882 beginnt die juristische Aufarbeitung der Katastrophe. Drei Theater-Mitarbeiter erhalten wegen Fahrlässigkeit Freiheitsstrafen, zudem müssen sie teilweise Schadenersatz leisten. Einige ebenfalls angeklagte städtische Funktionäre trifft dagegen nach Ansicht der Richter keine Schuld.

Theaterbrände sind am Ausgang des 19. Jahrhunderts wegen der damals üblichen Kerzen- oder Gasbeleuchtung keine Seltenheit. Bei einem ähnlichen Vorfall sind am 23. März 1881 in der Oper von Nizza rund 200 Menschen ums Leben gekommen, andere Brände jenes Jahres in München (18. Februar) und Prag (11. August) verlaufen dagegen einigermaßen glimpflich. Am 25. November 1891 trifft es dann das im Oktober 1881 eingeweihte Hoftheater in Oldenburg, das von Gerhards Geburtsort nur 15 Kilometer entfernt liegt. Wer in Wraggenort um kurz vor Mitternacht noch nicht im Bett liegt, müsste eigentlich am westlichen Horizont den dazugehörigen Feuerschein sehen können. Als Brandursache im von den Besuchern der abendlichen Vorstellung gottlob längst verlassenen Gebäude gilt ein auf der Bühne simuliertes Feuergefecht beziehungsweise dessen vom Personal nicht ausreichend kontrollierter Funkenflug.

Ob der Oldenburger Theaterbrand am nächsten Morgen auch in der örtlichen, von Gerhard seit 1888 besuchten Volksschule zur Sprache kommt, ist nicht überliefert – ebenso wenig, ob Gerhard nach Schulabschluss und Konfirmation zunächst weiter auf dem elterlichen Hof mitarbeitet oder ob er andernorts in Stellung geht. Vermutlich um die Jahrhundertwende herum leistet er seinen obligatorischen Wehrdienst, wie ein zu jener Zeit entstandenes Porträtfoto dokumentiert. Bald darauf dürfte er dann seine künftige Ehefrau Anna Sanders aus Hude kennenlernen, wobei der genaue Zeitpunkt und die näheren Umstände heute ebenfalls im Dunkeln liegen.

Gerhard und Anna heiraten am 27. April 1906 in der St.-Dionysius-Kirche in Holle. Seinen Lebensunterhalt verdient das junge Paar fortan auf einem Pachthof in Grummersort (heute: Tierheilpraxis Tina Harms). Dort bringt Anna im April 1910 Tochter Magdalene zur Welt. Zwei Jahre später erhält Gerhard die Chance, in Reiherholz einen eigenen Hof (heute: Herbert und Bernd Horstmann) zu kaufen. Mit einer Fläche von knapp zehn Hektar reicht der neue Besitz für damalige Verhältnisse allemal aus, um eine dreiköpfige Familie zu ernähren – wobei vermutlich beide Eheleute die Hoffnung hegen, dass am neuen Wohnort weitere Kinder hinzukommen. Sowohl Gerhard als auch Anna feiern 1912 ihren 31. Geburtstag, rein biologisch betrachtet bleibt ihnen also ein ausreichend großes Zeitfenster. Ähnliches gilt für eine mögliche Vergrößerung des Hofes, stehen sie doch in der sprichwörtlichen Blüte ihrer Schaffenskraft.

Indes, es kommt anders. Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Ehefrau Sophie in Sarajevo löst Anfang August 1914 den Ersten Weltkrieg aus, an dem Gerhard sehr wahrscheinlich von Beginn an teilnimmt. Die seit einigen Jahren online verfügbaren Verlustlisten des Krieges weisen ihn als Mitglied des 3. Unter-Elsässischen Infanterie-Regiments Nr. 138 aus, das zunächst an der Westfront eingesetzt und im Januar 1915 nach Osten verlegt wird. Dort beginnt am 7. Februar die Winterschlacht in Masuren. Sie erreicht am 16. Februar ihren Höhepunkt, als deutsche Truppen in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. die 10. Armee des Russischen Kaiserreichs „über die Grenze werfen und schließlich in nahezu völliger Einkreisung vernichtend schlagen“, wie es am Ende jenes Tages im deutschen Heeresbericht heißt.

So eindeutig der Sieg sein mag, er fordert auch auf deutscher Seite Opfer. Gerhard gehört leider dazu. Die genauen Umstände seines Todes sind knapp 110 Jahre später ebenso unbekannt wie der spätere Begräbnisort.