Heinrich Bruns wird am 25. April 1871 als zweites Kind von Johann Gerhard Bruns und Anna Wilhelmine Bruns in Neuenkoop bei Berne geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Catharine Bruns und der ältere Bruder von Metta Johanne Bruns, Johann Hinrich Bruns und Christian Gerhard Bruns.
In der Woche vor Heinrichs Geburt besucht der Komponist Richard Wagner zusammen mit Ehefrau Cosima das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth – in der Hoffnung, dort die geeignete Spielstätte für eine Aufführung seiner Oper „Der Ring des Nibelungen“ zu finden. Unter anderem wegen der geringen Größe des Zuschauerraums verwirft Wagner diese Idee allerdings schon nach der ersten Begehung wieder. Von Bayreuth selbst zeigt er sich gleichwohl so angetan, dass er kurzerhand mit der Stadtverwaltung Verhandlungen über den Bau eines komplett neuen Theaters aufnimmt.
Zwar scheitert der einvernehmlich auserkorene Standort an der fehlenden Verkaufsbereitschaft des Eigentümers. Mit einem später „Grüner Hügel“ getauften Hang etwas außerhalb des Stadtgebiets ist jedoch schnell Ersatz gefunden. Am 22. Mai 1872 – Wagners 59. Geburtstag – erfolgt bei strömendem Regen die Verlegung des Grundsteins, zur Feier des Tages dirigiert Wagner im Markgräflichen Opernhaus die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Um das später nach ihm benannte Festspielhaus zu finanzieren, will Wagner insgesamt tausend gutsituierte Spender gewinnen: Sie sollen je einen Patronatsschein im Wert von 300 Taler (900 Mark in der Währung des frisch gegründeten Deutschen Reiches) zeichnen und als Gegenleistung insgesamt zwölf Eintrittskarten zur geplanten „Ring“-Aufführung erhalten. Die erste davon soll bereits im Sommer 1873 stattfinden.
Doch daraus wird nichts, denn der Verkauf der Patronatsscheine kommt nur schleppend voran. Im August 1873 räumt Wagner ein, dass mit einer Eröffnung des Theaters frühestens 1875 zu rechnen ist. Fortan bemüht er sich verstärkt um alternative Finanzquellen. Sein langjähriger Gönner, König Ludwig II. von Bayern, erteilt ihm aber zunächst ebenso eine Absage wie Kaiser Wilhelm I. und die Mitglieder des Reichstags in Berlin. Letztlich ist es 1874 doch Ludwig, der die Hängepartie beendet: Er gewährt Wagner die noch fehlende Summe auf Kredit.
Am 13. August 1876 hebt sich dann endlich der Vorhang zu den ersten Bayreuther Festspielen. Als „Der Ring des Nibelungen“ vier Tage später mit der Uraufführung der „Götterdämmerung“ endet, zeigen sich weder Publikum noch Kritiker sonderlich begeistert. Finanziell sind die Festspiele zudem mit einem Defizit von fast 150.000 Mark ein Desaster. „Trübsal! Erschütterung! Richard sehr traurig, er sagt, er möchte sterben“, schreibt Ehefrau Cosima unter dem Eindruck dieser Pleite in ihr Tagebuch. Weil er es gewohnt ist, nach Niederlagen wieder aufzustehen, erholt Wagner sich rasch und setzt Anfang 1877 die Arbeit an seiner Oper „Parsifal“ fort. Parallel dazu geht er auf Konzertreise nach London, wo er in der Royal Albert Hall begeistert gefeiert wird.
Im Gegensatz dazu dürfte in Heinrichs Familie in Neuenkoop die Stimmung das ganze Jahr 1877 hindurch gedrückt bleiben. Nachdem am Silvestertag 1876 sein jüngster Bruder Christian Gerhard im Alter von nur sieben Monaten verstorben ist, folgt ihm Anfang März 1877 kurz vor seinem zweiten Geburtstag der noch verbliebene Bruder Johann Hinrich. Als Todesursache nennt das Kirchenbuch der Gemeinde Berne Keuchhusten. Und als wäre das noch nicht genug an Kummer, erliegt Heinrichs elfjährige Schwester Anna Catharine im Februar 1878 einer im Kirchenbuch nicht näher bezeichneten „Schwäche“.
Lassen die drei Todesfälle Rückschlüsse zu auf die Wohnverhältnisse, in denen Heinrich aufwächst? Durchaus möglich, dass dies eine Rolle spielt, denn als Heuerleute werden Johann Gerhard und Anna Wilhelmine Bruns ihren Kindern – wenn überhaupt – kaum mehr als ein trockenes Dach über dem Kopf bieten können. Andererseits: Auch in den Familien deutlich besser gestellter Großbauern sterben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahllose Nachkommen vor Erreichen des Erwachsenenalters. Zu den häufigsten Ursachen gehört neben typischen Kinderkrankheiten wie Diphtherie, Masern oder Scharlach die häufig mit Worten wie „Schwindsucht“ oder „Schwäche“ umschriebene Tuberkulose.
Wie auch immer: Wo genau in Neuenkoop Heinrich mit den Eltern und der einzig verbliebenen Schwester Metta Johanne aufwächst, liegt knapp 150 Jahre später im Dunkeln. Dasselbe gilt für die ersten Stationen seines Lebenswegs nach Schulentlassung und Konfirmation. Heinrichs spätere Ehefrau Meta Catharine Siemering stammt aus Tweelbäke – gut möglich also, dass es ihn in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre nach seiner Ausbildung zum Maurer in dieses von Neuenkoop rund 15 Kilometer entfernte Dorf vor den Toren Oldenburgs verschlägt. Vielleicht begegnen sich beide aber auch in Lintel zum ersten Mal, wo Meta Catharine in dieser Zeit auf irgendeinem Hof in Stellung sein könnte. In Lintel jedenfalls kommt im Februar 1897 nach der fünf Monate zuvor in Hude vollzogenen Trauung Tochter Wilhelmine zur Welt.
Lange hält es die junge Familie nicht im Dorf: Vom nächstgeborenen Sohn Hermann wird Meta Catharine 1898 bereits in Hude entbunden. Gleiches gilt für die weiteren Kinder Meta (1901), Klara (1903), Adolf (1907) und Heinrich Junior (1912). Vor der Geburt des jüngsten Sohnes scheinen Heinrich und Meta Catharine die Möglichkeit zu haben, etwas Geld auf die Seite zu legen. Dessen Wiege nämlich steht schon auf einem rund drei Hektar umfassenden Hof am Heideweg, den das Paar kurz zuvor gekauft hat.
Über die folgenden Jahre in Heinrichs Leben ist heute nur noch wenig bekannt. Nimmt er beispielsweise am Ersten Weltkrieg teil, der Anfang August 1914 losbricht? Sehr wahrscheinlich ist das nicht, schließlich ist Heinrich zu diesem Zeitpunkt bereits 43 Jahre alt. Seinem ältesten Sohn Hermann dürfte dieses Los allerdings kaum erspart bleiben. Sollte er 1916 im üblichen Alter von 18 Jahren zur Armee eingezogen werden, so kehrt er jedoch Ende 1918 heil nach Hude zurück und lässt sich später als Schmied in Nordenholz nieder.
Die älteste Tochter Wilhelmine zieht es derweil nach Wilhelmshaven – ebenso wie Schwester Meta, die dort von ihrer kinderlos gebliebenen Tante Metta Johanne adoptiert wird. Klara Bruns wiederum gehört zu jenen zahlreichen jungen Frauen aus dem Oldenburger Land, die in den wirtschaftlich schwierigen Anfangsjahren der Weimarer Republik ihr Heil in der Hollandgängerei suchen. Wie die zwei Jahre jüngere Martha Rüscher aus Altmoorhausen arbeitet sie in dieser Zeit in Woerden bei Amsterdam und bleibt nach ihrer Heirat im Nachbarland. Die beiden jüngeren Söhne Adolf und Heinrich Junior schließlich treten als Maurer in die Fußstapfen des Vaters und betätigen sich darüber hinaus nebenbei als Hausschlachter.
Anfang Juli 1932, auf dem Höhepunkt der 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise, stirbt Heinrichs Ehefrau Meta Catharine. Unter der kurz darauf beginnenden NS-Herrschaft lebt Heinrich zunächst allein mit seinem jüngsten Sohn auf dem Hof am Heideweg, bekommt aber im Januar 1938 mit Amanda Hoffrogge eine Schwiegertochter ins Haus. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs – an dem Heinrich Bruns Junior von Beginn an teilnimmt – kommen mit Heiko (April 1940) und Ilse (Januar 1945) zwei Enkelkinder hinzu. Das dritte Enkelkind Egon wird im August 1946 geboren, ein Jahr nach der Rückkehr von Heinrich Junior aus amerikanischer Gefangenschaft.
Die folgenden, von britischer Besatzung, Währungsreform und beginnendem Wirtschaftswunder geprägten Jahre verbringt Heinrich weiter mit der Familie von Heinrich Junior und der alleinstehenden, aus Pommern geflüchteten Witwe Anna Hackbarth auf seinem Hof. Dort feiert er im April 1951 bei zufriedenstellender Gesundheit seinen 80. Geburtstag und nimmt nicht nur die Glückwünsche seiner Kinder und Enkelkinder entgegen, sondern auch ein musikalisches Ständchen seiner nächsten Nachbarn Diedrich, Martin und Friedrich Voigt.
Heinrich stirbt am 1. Juli 1954 nach kurzer Krankheit und wird am 5. Juli 1954 auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt – einen Tag, nachdem Helmut Rahn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im WM-Finale von Bern zum vielumjubelten Sieg geschossen hat.