Hinrich Lampe wird am 17. Mai 1870 als viertes Kind von Hermann Lampe und Catharine Margarete Lampe in Kirchkimmen geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Margarete Lampe, Hermann Lampe Junior und Bernhard Lampe.
Zwei Wochen nach Hinrichs Geburt tritt im Norddeutschen Bund ein Vorläufer des noch heute gültigen Strafgesetzbuches (StGB) in Kraft. Es soll im ersten Bundesstaat auf deutschem Boden den Rahmen für gerichtliche Entscheidungen vorgeben und orientiert sich dabei in weiten Teilen am Preußischen Strafgesetzbuch. So auch in der zuvor unter Politikern, Rechtsexperten und Medizinern kontrovers diskutierten Frage, ob homosexuelle Handlungen zwischen Männern weiter unter Strafe stehen sollen. Gegen eine Übernahme dieses in Preußen im Paragraphen 143 StGB geregelten Tatbestands hatte sich im Vorfeld eine Mediziner-Kommission ausgesprochen, der auch der prominente Arzt und Politiker Rudolf Virchow angehörte. Sie sah aus ihrer Fachdisziplin heraus keinerlei wissenschaftliche Gründe, den Sex zwischen Männern zu sanktionieren. Die Bewertung von „Unsittlichkeit“ wiederum gehöre nicht zur Kompetenz eines medizinischen Sachverständigen.
Dieser liberalen Auffassung, der zufolge Strafrecht und Moral voneinander zu trennen sind, steht die vor allem von konservativen Kreisen vertretene Meinung gegenüber, wonach das Strafrecht immer auch die gesellschaftliche Moral stützen sollte. Sie setzt sich am Ende durch, und so mutiert der Paragraph 143 zum Paragraphen 175, der mit Homosexuellen weiter kein Pardon kennt. „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden“, heißt es fortan im Gesetz. Immerhin: Die Mindeststrafe wird im Vergleich zum preußischen Strafrecht von sechs Monaten auf einen Tag reduziert. Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte umfasst dabei unter anderem die Aberkennung des Doktorgrades oder den Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts. Über gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Frauen hingegen sieht der Gesetzgeber weiter großzügig hinweg.
Mit ihrer Zustimmung zum Paragraphen 175 StGB können die Abgeordneten des Reichstags darauf vertrauen, sich an der öffentlichen Meinung orientiert zu haben. Die nämlich beurteilt Homosexualität durchaus als etwas Verabscheuungswürdiges – wovor auch gesellschaftspolitische Vordenker wie der Philosoph und Karl-Marx-Gefährte Friedrich Engels in jenen Jahren nicht gefeit sind. Zur homophoben Stimmung in den Mitgliedsländern des Norddeutschen Bundes trägt nicht zuletzt der aufsehenerregende, im Jahr zuvor geführte Strafprozess gegen Carl von Zastrow bei: Der sich offen zu seiner Homosexualität bekennende ehemalige Armee-Leutnant wurde im Oktober 1869 für schuldig befunden, einen fünfjährigen Jungen mit einem Stock anal vergewaltigt, stranguliert und dabei fast ermordet zu haben.
Im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Hinrichs Geburtsort Kirchkimmen gehört, dürfte der neu formulierte Paragraph 175 StGB im Frühjahr 1870 zu den eher weniger diskutierten Themen gehören. Ganz anders sieht es vermutlich mit dem angespannten Verhältnis zum Nachbarland Frankreich aus, das Preußen und damit auch dem Norddeutschen Bund am 19. Juli 1870 den Krieg erklärt. Am Ende dieser Auseinandersetzung steht am 18. Januar 1871 die Ausrufung des Deutschen Reiches, das knapp zwölf Monate später das Strafrecht des Vorgänger-Staates einschließlich des erst im Juni 1994 vom Bundestag ersatzlos gestrichenen Paragraphen 175 nahezu unverändert übernimmt.
Wo genau in Kirchkimmen Hinrich in den 1870er Jahren aufwächst, liegt heute im Dunkeln. Seine Eltern haben im Dorf keinen eigenen Grundbesitz und arbeiten als Heuerleute. Vater Hermann Lampe stammt aus Vielstedt, Mutter Catharine Margarete aus Stenum. In Vielstedt ist 1860 auch Hinrichs Schwester Anna Margarete geboren, während seine Brüder ihre ersten Lebensjahre in Hollen bei Ganderkesee verbringen.
Ob Hinrich als eines der jüngsten Kinder seiner Jahrgangsstufe noch im Frühjahr 1876 oder doch erst im Frühjahr 1877 in die Volksschule Kirchkimmen eingeschult wird, lässt sich ebenfalls nur vermuten. In jedem Fall gehören dort neben dem im November 1867 geborenen Bruder Bernhard unter anderem Johann Bleckwehl, Dietrich Osterloh, Diedrich Timmermann und Gerhard Wieting zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern. Mit Johann Bleckwehl wird Hinrich vermutlich auch 1884 oder 1885 zusammen konfirmiert.
Was Hinrich irgendwann in den folgenden Jahren nach Lintel verschlägt und wo genau im Dorf er arbeitet, ist in der Familie nicht mehr bekannt. Möglicherweise folgt er dem älteren Bruder Hermann Junior, der dort spätestens 1892 seinen Wohnsitz nimmt und 1894 den heutigen, an der Grenze zu Hurrel gelegenen Hof von Thorsten und Sonja Oberdiek kauft. Auch Hinrich, zu dieser Zeit wahrscheinlich schon als Schuster und Hausschlachter tätig, wird in Lintel bald zum Grundbesitzer: Er kauft 1896 am Ströhenweg ein noch unkultiviertes, rund drei Hektar umfassendes Heide-Gelände, das bis dahin zum Anwesen des langjährigen Linteler Gastwirts Christian Rodiek gehört. Dort errichtet Hinrich zwei Jahre später eine Hofstelle (heute: Hans-Hermann und Wilma Vink).
Ein potenziell landwirtschaftlich nutzbares Stück Land plus Nebenerwerb, dazu ein neu errichtetes Hofgebäude – was Hinrich nun noch fehlt, ist eine Ehefrau. Eine Kandidatin ist die Dienstmagd Mathilde Witte aus Altmoorhausen, sechs Jahre jünger als Hinrich und ursprünglich aus Lintel stammend. Wer von beiden sich zunächst gegen eine Hochzeit sträubt, als im November 1898 der gemeinsame Sohn Heinrich zur Welt kommt, lässt sich mehr als 120 Jahre später nicht mehr aufklären. Letztlich tut es aber nichts zur Sache, denn im März 1899 stehen Hinrich und Mathilde dann doch in Hude vor dem Traualtar der St.-Elisabeth-Kirche.
Aus der nunmehr amtlich wie kirchlich abgesegneten Verbindung gehen mit Hermann (März 1900), Sophie (Mai 1902), Martha (Mai 1904), Georg Hinrich (März 1906), Klara (März 1908), Hermanda (März 1910), Alma (Juni 1912), Hinrich Johann (März 1914) und Lina (Januar 1916) neun weitere Kinder hervor. Bis auf Georg Hinrich, der ein halbes Jahr nach seiner Geburt einer Brechdurchfall-Infektion erliegt, erreichen wie auch der Erstgeborene Heinrich alle das Erwachsenenalter. Zur damaligen Zeit nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, wofür Hinrichs Bruder Hermann Junior ein Beispiel unter vielen ist: Gleich zwei seiner sechs zwischen 1892 und 1900 geborenen Kinder sterben bereits kurz nach der Taufe. Weil unmittelbar vor dem Tod des jüngsten Sohnes Hermann Bernhard im Dezember 1900 auch Ehefrau Meta Katharine stirbt, verkauft Hermann Junior 1901 seinen Hof 1901 an Gerhard Hinrich Bernhard Lankenau und verlässt bald darauf mit den vier überlebenden Kindern Lintel.
Fünf Monate nach der Geburt von Hinrich Johann Lampe beginnt der Erste Weltkrieg, in den Hinrich aber allem Anschein nach nicht mehr hineingezogen wird. Anders sehr wahrscheinlich die beiden ältesten Söhne Heinrich und Hermann, die von den Militärbehörden angesichts der mit zunehmender Kriegsdauer immer aussichtsloser werdenden Lage spätestens von ihrem 18. Geburtstag an als dringend benötigte Front-Verstärkung angesehen werden dürften. Über ihre eventuellen Einsatzorte ist heute nichts mehr bekannt, beide kehren jedoch nach dem im November 1918 vereinbarten Waffenstillstand von Compiègne wohlbehalten nach Lintel zurück.
Der auf die Niederlage folgende Friedensvertrag von Versailles stürzt die nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ausgerufene Weimarer Republik rasch in wirtschaftliche Schwierigkeiten, deren Auswirkungen mit Sicherheit auch auf dem Lampe-Hof zu spüren sind. Noch bevor die rasant anziehende Teuerung in eine Hyperinflation mündet, ereignet sich im Juli 1922 in Hinrichs Familie ein tragischer Unfall: Der zweitälteste Sohn Hermann – mittlerweile zum Maurer ausgebildet – erleidet auf einer Baustelle einen tödlichen Stromschlag. Die drei ältesten Töchter wiederum fliehen vor der um sich greifenden Not als Hollandgängerinnen in die Niederlande, wo sie in der Nähe von Rotterdam Anstellung finden. Sophie Lampe bleibt in ihrem Gastland und heiratet dort den Niederländer Arie Plomp. Trotzdem kehren die beiden anderen nicht allein zurück: Martha nämlich bringt ihren künftigen Ehemann Gerrit Vink mit. Beide ziehen nach der im Juli 1927 gefeierten Hochzeit zunächst in die Nähe von Ganderkesee und dann nach Mansholt bei Wiefelstede. Dort arbeiten sie auf dem wegen seiner Größe überregional bekannten Büsing-Hof.
Am Vorabend der verhängnisvollen, im Januar 1933 mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler eingeläuteten Nazi-Herrschaft leben mutmaßlich nur noch die drei jüngsten Kinder im Elternhaus und unterstützen Hinrich und Mathilde bei der täglichen Stall- und Feldarbeit. Der Lampe-Hof ist zwar in der Zwischenzeit durch Zukauf noch etwas gewachsen, bietet dem Hoferben Hinrich Johann aber dennoch kaum eine ausreichende Lebensgrundlage. Deshalb liebäugelt Hinrichs jüngster Sohn nach Ableistung seines Wehrdienstes offenbar mit einer Verpflichtung als Zeitsoldat. Was er wohl auch umsetzt, denn als am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg beginnt, steht Hinrich Johann bereits seit mehr als zwei Jahren in Diensten der Wehrmacht.
Hinrichs 70. Geburtstag im Mai 1940 ist der letzte, den er gemeinsam mit Mathilde und seiner jüngsten, der Überlieferung zufolge an Leukämie leidenden Tochter Lina begehen kann. Beide Frauen sterben im Februar 1941 im Abstand von nur drei Tagen. Mit Hinrich unter einem Dach wohnen somit nur noch die seit ihrer Geburt nervenkranke Tochter Alma und Hinrich Johanns Ehefrau Anna, die im Mai 1941 den gemeinsamen Sohn Karl-Heinz zur Welt bringt. Die Hoffnung, seinen Enkel auf dem Lampe-Hof aufwachsen zu sehen, erfüllt sich für Hinrich allerdings nicht: Weil Hinrich Johann nicht aus dem Krieg zurückkehrt, heiratet Anna im Oktober 1946 Heinrich Weeldreyer und zieht mit Karl-Heinz zu ihrem neuen Ehemann nach Oldenburg.
Die erste Zeit nach Annas Wegzug, in der es in Lintel wie nahezu überall im zerstörten Nachkriegsdeutschland noch an buchstäblich fast allem fehlt, überbrücken Hinrich und Alma mit Hilfe einer heute nicht mehr namentlich bekannten Haushälterin. Für Hinrich keine Dauerlösung, und so bietet er Tochter Martha und Schwiegersohn Gerrit in Mansholt an, ihnen bei einer Rückkehr den Hof zu überschreiben. Im März 1949 – zwei Monate vor Hinrichs 79. Geburtstag und der am 23. Mai vollzogenen Gründung der Bundesrepublik Deutschland – siedeln daraufhin beide mit ihren Kindern Friedel, Marianne und Hans-Hermann nach Lintel über.
Während Gerrit Vink danach hauptberuflich auf der Ziegelei Knabe in Hinrichs Geburtsort Kirchkimmen arbeitet, geht Hinrich seinen Töchtern Martha und Alma bis kurz vor seinem Tod in der Landwirtschaft zur Hand. Er stirbt am 7. September 1958 an Altersschwäche und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.