❸ Lintels Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Die wirtschaftliche Not nach dem Ende der Franzosenzeit und die zunehmende Unzufriedenheit mit der politischen Lage führen ab 1830 dazu, dass immer mehr Oldenburger ihr Heil in Nordamerika suchen. Auch zahlreiche Linteler wandern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus. Mitunter starten ganze Familien die Überfahrt ins Ungewisse und finden bevorzugt im Mittleren Westen der USA eine neue Heimat, vor allem in Nebraska und Iowa. Dorthin, in die Nähe von Williamsburg, verschlägt es etwa Johann Hinrich und Gesche Margarethe Petershagen mit vier von sechs Kindern, nachdem sie ihren erst 1847 gekauften Linteler Hof (heute: Rainer und Anne Witte) 1869 an Heinrich Kaß verkauft haben.

Trotz dieser Abgänge bleibt Lintel mit mehr als 300 Einwohnern die größte Bauerschaft in der Gemeinde Hude – übertroffen nur vom Kernort Hude rund um das mittlerweile von der Familie von Ernst von Witzleben verwaltete Klostergelände. Dort kommt es ab 1867 nach Fertigstellung der Bahnstrecke Bremen-Oldenburg zu einem spürbaren Aufschwung. Auch die Linteler sind jedoch abseits des Zentrums weiter rührig und gründen kurz vor der Jahrhundertwende mit dem Männergesangverein „Harmonie“ (1882) und dem Schützenverein Lintel (1892) die beiden ältesten Vereine ihrer Art in der Gemeinde.

Der Erste Weltkrieg fordert in Lintel wie überall Opfer – ein 1952 errichtetes Ehrenmal erinnert an elf Söhne des Dorfes, die nicht mehr in die Heimat zurückkehren. Noch länger ist mit 19 Namen die Reihe der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Linteler. Die Folgen des von den Nationalsozialisten begonnenen Krieges mit Millionen Flüchtlingen aus den Ostgebieten sorgen dafür, dass die Bevölkerung bis 1950 massiv wächst und die 1897 neu gebaute Dorfschule um eine zweite Klasse erweitert werden muss. Bis Anfang der 70er Jahre pendelt sich die Zahl der Einwohner dann allerdings wieder auf das langjährige Mittel von 350 Personen ein.

Die Jahre ab 1970 sind geprägt vom Strukturwandel in der Landwirtschaft: Viele Betriebe geben auf, dafür werden die überlebenden immer größer. Zu den bereits bestehenden Vereinen und Gruppen gesellen sich mit der Speelkoppel Lintel (1979), dem Frauenchor (1987) und den Linteler Dorfmusikanten (1995) drei weitere hinzu. Auch wenn die beiden letztgenannten aus Altersgründen inzwischen wieder aufgelöst wurden: Die Dorfgemeinschaft bleibt intakt – wofür die vielfältigen Aktivitäten zum 750-jährigen Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung Lintels beileibe nicht das einzige Beispiel sind. Weit über die eigenen Grenzen hinaus bekannt ist zudem der 2004 im Schnitthilgenloh eröffnete „Friedwald Hasbruch“. Bis Ende 2021 haben dort fast 6.000 Menschen aus nah und fern ihre letzte Ruhestätte gefunden.